Nominiert für den Deutschen Reporterpreis 2010.
„Der
Albtraum der Millionäre“
Sein Deckname war
David. Er lieferte dem Bundesnachrichtendienst die Kontodaten von
1400 „Stiftungen“ deutscher Millionäre, von Steuerbetrügern wie
Klaus Zumwinkel. Mit den gestohlenen Daten aus Liechtenstein
eröffneten die deutschen Behörden 618 Verfahren. Mehr als 200
weitere Bürger zeigten sich selbst an. Die Aktion brachte der
Bundesrepublik bislang geschätzte 220 Millionen Euro ein. Es dürfte
noch deutlich mehr werden. David alias Heinrich Kieber kassierte
dafür fünf Millionen Euro. Und nicht nur Deutschland zahlte. An
insgesamt 13 Länder gab er sein Material weiter.
Oliver Schröm,
Stern, 05.08.2010
Liechtenstein hat
den Datendieb international zur Fahndung ausgeschrieben. Andere
Staaten verstecken ihn. Sein Aufenthaltsort ist streng geheim. Der
45-Jährige lebt mit neuer Identität in einem Zeugenschutzprogramm.
Dies ist sein erstes Interview. Darüber, wie es geführt wurde,
verpflichtete er den stern zu Stillschweigen, und er bestand darauf,
dass bei Fotos von ihm die Augenpartie abgedeckt wird.
Die Motive für
Kiebers Datendiebstahl blieben lange Zeit nebulös. Während ihm alle
Welt Geldgier unterstellte, präsentierte er eine abenteuerliche
Geschichte: Er sei 1997 von ehemaligen Geschäftspartnern nach
Argentinien gelockt, dort gefangen genommen und gefoltert worden. Es
ging angeblich um offene Rechnungen. Mal war von 240 000, mal von
580 000 Schweizer Franken die Rede. Er suchte jahrelang
Unterstützung, diesen Fall vor Gericht zu bekommen, doch niemand in
Liechtenstein glaubte ihm die Folter. Die 2002 gestohlenen Kontodaten
wollte er benutzen, um einen Prozess zu erzwingen. In einem
38-seitigen Brief an Fürst Hans-Adam II. drohte er 2003, das
explosive Material andernfalls Steuerfahndern in Deutschland oder den
USA zu übergeben.
Eine schier
unglaubliche Räuberpistole. Doch bei ihren Recherchen stießen
stern-Reporter in Barcelona auf einen Beteiligten, der bestätigt,
dass Kieber auf einer Farm in Argentinien festgehalten wurde –
angekettet in einem Turm, tagelang in Todesangst.
Trotzdem
bleibt Kieber eine schillernde Figur: immer wieder in dubiose
Geschäfte verwickelt, getrieben auch vom Hass auf den Fürsten von
Liechtenstein. Dessen Mutter Gina hatte sich einst um das Heimkind
Heinrich gekümmert. Ihr früher Tod 1989 war für Kieber ein
schwerer Verlust.
Ab
dem sechsten Lebensjahr elternlos aufgewachsen, hoch intelligent,
aber emotional ungefestigt, oft großspurig – ein unsteter Träumer,
der es mit dem Gesetz nicht immer so genau nimmt, so schlägt sich
Heinrich Kieber durch. Und ausgerechnet dieser Mann wird im Oktober
2000 von der fürstlichen LGT Treuhand mit der Aufgabe betraut, die
hochsensiblen Kundendaten zu digitalisieren. Es dauert nicht lange,
bis er die entscheidende Sicherheitslücke entdeckt.
Sie sind
Liechtensteins Staatsfeind Nummer eins. Sie haben die Steueroase
ausgetrocknet.
Ich denke da nicht
so drüber nach. Früher oder später wäre es sowieso gekommen. Es
hat nicht einen speziellen Heinrich Kieber gebraucht, obwohl ich ein
bisschen außergewöhnlich bin. Ich bin sicher, dass Liechtenstein
mit der hohen Professionalität, die es im Bankenbereich hat,
überleben wird, auch ohne Steuervorteil.
Allein das
Bankvermögen der deutschen Steuerhinterzieher auf den CDs, die Sie
der Steuerfahndung zur Verfügung stellten, betrug drei Milliarden
Schweizer Franken. Sind Sie stolz, das aufgedeckt zu haben?
Es war nie mein
Anliegen oder Bestreben, Steuersünder auf öffentliche Listen zu
setzen. Ich finde, Steuerangelegenheiten oder -betrügereien sind
eine Sache zwischen einem Bürger und seinem Staat. Aber bei Fällen,
die ins Kriminelle reingehen, bin ich grundsätzlich dafür, dass
dies an die Öffentlichkeit kommt.
Es scheint, es ist
Ihnen unangenehm, dass Sie so viele Leute verpfiffen haben.
Ja, da ist ja noch
das liechtensteinische Blut, das in meinen Adern fließt. Aber
unangenehm ist das falsche Wort, denn früher oder später erwischt
es jeden, da bin ich sicher. Und die haben ja gewusst, was sie
machen. Ich weine denen jetzt keine Träne hinterher.
Wie groß war das
Gesamtvermögen auf Ihren CDs?
Die Treuhand hatte
zwischen 6,5 und 7 Milliarden Schweizer Franken von Kunden aus aller
Welt.
Wer war der dickste
Fisch?
Das größte
Vermögen eines Einzelnen betrug 450 Millionen Schweizer Franken.
War derjenige aus
Deutschland?
Nein, nein, ein
italienischer Industrieller, der viel geerbt, viele Konzernanteile
verkauft und dem Fiskus nichts erzählt hat.
Was war der höchste
Betrag eines deutschen Treuhandkunden?
Um die 35 Millionen
Schweizer Franken.
Jemand, den man
kennt? So wie Klaus Zumwinkel, der auch mit Ihrer Hilfe überführt
wurde?
Meinen Ermittlungen
nach nicht, ich habe ja viele der Kunden im Internet gecheckt. Ich
kannte ihn nicht. Es ist ein älterer Herr aus Düsseldorf.
Hat dieser Herr auch
geerbt? Oder ist er ein Industrieller?
Er hat seine Anteile
an einem bekannten Sportartikelhersteller aus Deutschland verkauft.
Und über die Jahre hinweg hat sich da einiges angesammelt.
Wie heißt die
Stiftung des Düsseldorfers?
Wenn man 35
Millionen hat, dann hat man mindestens vier, fünf Stiftungen und ein
paar Anstalten. Oft verteilt man das zu Lebzeiten und macht eine
Stiftung für die Tochter, eine für den Sohn und so weiter. Und wenn
der Erstbegünstigte stirbt, wird oft die Hauptstiftung aufgelöst,
und das Vermögen geht auf die anderen Stiftungen über. Man kennt ja
sein eigenes Blut und will Streitereien vermeiden.
Für halb
Liechtenstein sind Sie ein Vaterlandsverräter. Schmerzt das?
Ach, wenn es nur die
Hälfte des Landes wäre … Klar, das ist noch immer meine alte
Heimat, das schmerzt schon. Ich war ja eigentlich Monarchist, hatte
in meiner Kindheit und als Teenager ein sehr gutes Verhältnis zu
Fürstin Gina. Zum Glück weiß sie nicht, was aus meiner Beziehung
zum Fürstenhaus geworden ist, sie ist ja 1989 leider verstorben. Das
Bild, das in Liechtenstein in den letzten drei Jahren von mir
vermittelt wurde, ist hauptsächlich falsch. Für mich persönlich
gilt: Die Zeit heilt Wunden. Für viele in Liechtenstein gilt das
vermutlich nicht.
Seit drei Jahren
sind Sie von der Bildfläche verschwunden, werden von Geheimdiensten
versteckt. Ist Ihr Leben anstrengend?
Eigentlich nicht. Es
kommt ganz darauf an, warum und unter welchen Umständen man in einem
anderen Land lebt. Und wie es organisiert wird.
Haben Sie in Ihrem
zweiten Leben schon neue Freunde gefunden?
Ich bin ja ein
bisschen so ein Eigenbrötler. Man hat natürlich Kontakt mit vielen
Menschen, aber enge Freundschaften – ich bin da sehr vorsichtig.
Ich kann aber sagen, dass ich gute Freunde in der Gruppe der Menschen
getroffen habe, die sich professionell um mich kümmern. Das ist eine
Art Stockholm-Syndrom. Aber keine Freundschaft zwischen Bankräuber
und Geisel, sondern zwischen rechtlich-legitimem Beschützer und
„whistleblower“.
Können Sie das
Land, in dem Sie leben, überhaupt verlassen?
Ja, ja. Es ist nur
die Frage, wer hinter einem steht.
Aber es gibt doch
einen internationalen Haftbefehl gegen Sie, ausgestellt von
Liechtenstein.
Der Haftbefehl ist
wertloses Papier. Von den Ländern, in denen ich mich bewege, habe
ich mir schriftlich bestätigen lassen, dass sie mich unter keinen
Umständen an Liechtenstein ausliefern. So war ich zum Beispiel im
Sommer 2008 in Washington, um dort vor dem US-Senat als Zeuge
auszusagen. Zu diesem Zeitpunkt gab es den Haftbefehl. Passiert ist
mir trotzdem nichts.
Beschäftigen Sie
sich noch viel mit Ihrer eigenen Geschichte?
Nur weil man auf dem
Papier jemand anderes ist, ist man ja nicht wirklich jemand anderes.
Es wird immer ein Teil meines Lebens sein. Ich habe ja schon vorher
in verschiedenen Ländern gelebt und bin sehr anpassungsfähig.
Was ist der größte
Luxus, den Sie sich seit dem Verkauf der Daten gegönnt haben?
Zeit! Zeit für
andere und Zeit für mich.
Was machen Sie mit
Ihrer Zeit?
Ich stehe morgens
früh auf und gehe spät ins Bett. Manchmal weiß ich auch nicht, wie
der Tag vorbeigegangen ist. Ich kann Sie aber beruhigen, dass ich bei
keiner Bank mehr arbeite.
Langweilen Sie sich
manchmal?
Nein, Langeweile
kommt in meinem Leben eigentlich nie auf. Ich nutze die Gelegenheit
und mache Freiwilligendienst. Das ist in Deutschland und Europa nicht
so populär wie in anderen Ländern. Hier gibt es Menschen, die
fahren alte Leute ins Spital oder zum Zahnarzttermin. Es gibt da
viele Möglichkeiten. Logischerweise unentgeltlich. Überrascht Sie
das?
Schon, man stellt
sich einen mehrfachen Millionär anders vor. Eher mit Champagner am
Strand als am Steuer eines Seniorenbusses.
Mein Gott! Wenn
einer weiß, dass Geld nicht glücklich macht, dann ist es Heinrich
Kieber. Nicht, dass ich nicht glücklich bin. Aber die Unmengen von
Daten, die ich zu Gesicht bekommen habe, zeigen: Die meisten
Millionäre sind sehr unglücklich. Geld ist eigentlich nur Mittel
zum Zweck.
Sie bestehen darauf,
dass wir nicht erwähnen, auf welche Weise dieses Interview
stattgefunden hat. Haben Sie Angst vor Seiner Durchlaucht, Hans-Adam
II., Fürst von und zu Liechtenstein, oder vor den Steuersündern?
Absolut nicht! Mit
Furcht lebt es sich nicht gut. Die Steuersünder sind alle mit ihrem
eigenen Leben beschäftigt. Denen bringt es nichts, wenn sie mich,
den Überbringer der Daten, umbringen. Und zum Fürsten: Wenn die
Kugel kommt, kommt sie von Hans-Adam. Das ist so! Dagegen wird man
geschult, vom BND übrigens.
Dem deutschen
Bundesnachrichtendienst.
Das mag der
Hans-Adam gar nicht gern hören, dass ich ihm unterstelle, dass er
solche Methoden anwendet. Aber wir passen natürlich auf. Wir, damit
meine ich den BND und mich.
Das müssen Sie
erklären.
Hans-Adam wurde mit
Angeboten überschwemmt, von Profis, Halbprofis und Möchtegernfirmen,
die angeboten haben, ihm meinen Kopf, meine Leiche zu bringen, wenn
die Kasse stimmt.
Der BND weiß davon,
dass Killer angeheuert wurden?
Nein, ich hab nie
gesagt, dass Killer angeheuert wurden. Mir wurde gesagt, dass
Hans-Adam mit Angeboten überschwemmt wurde.
Im Internet wurden
zwischenzeitlich sieben Millionen Euro auf Ihren Kopf ausgesetzt. Da
müssen Sie doch Angst bekommen?
Die Amerikaner haben
nachgeforscht und mir aufgezeigt, dass die Webseite aus Liechtenstein
kam. Aber ich mache mir eigentlich keine Gedanken darüber. Wenn man
weiß, dass die Amerikaner und der BND auf meiner Seite stehen, da
würde nur ein Verrückter auf die Idee kommen, falls er mich
erkennen würde, meiner habhaft zu werden.
Welche
Vorsichtsmaßnahmen ergreifen Sie?
Ich gehe einfach
nicht nach Liechtenstein (lacht).
Reden wir über den
Tag im Herbst 2002, an dem Sie die Kundendaten der Liechtensteiner
Vermögensverwaltung LGT Treuhand kopiert haben.
Ich habe die nicht
kopiert, ich habe ein DLT mitgehen lassen, das ist ein Magnetband,
ein sogenanntes Tages-Back-up-Band. Die Treuhand macht über Nacht
eine Sicherungskopie auf einem handelsüblichen Magnetband. Das sieht
aus wie so eine dicke, alte Kassette, ungefähr 12 mal 15 Zentimeter
und 4 Zentimeter hoch.
Niemand hat bemerkt,
dass das weg war?
Der Ablauf bei der
LGT war jeden Tag gleich. Ich habe gesehen, dass bei der alltäglichen
Routine das Datenband für ein Weilchen bei der verantwortlichen
Person auf dem Tisch lag, im Umkreis von meinem Arbeitsplatz. Die
einzige Möglichkeit, es zu entwenden, ohne dass es jemand merkt, war
natürlich, es auszutauschen.
Haben Sie sich auf
diesen Tag vorbereitet?
Ich hätte das Band
jeden Tag austauschen können, es war ja ein wiederkehrendes Ritual.
Ich musste keine Statistiken erstellen oder wie in Kriminalfällen
Pläne und Grundrisse studieren oder so. Ich war schon zwei Jahre bei
der LGT, extra eingestellt, um die Kundenakten zu digitalisieren. Ich
saß sozusagen an der Quelle.
Waren Sie aufgeregt?
Ich war ein bisschen
nervös. Ich hatte einen normalen Tag. Ich hab das Band nach dem
Mittagessen eingesteckt, ein leeres Band auf den Tisch gelegt und
weitergearbeitet. Es gab keine Kameras in den Büros. Das Band ist ja
relativ klein und passt in die Jackentasche. Bei Feierabend hab ich
es mitgenommen und bei mir zu Hause gut versteckt. Ich wusste, dass
nichts passiert. Ich wusste, dass die verantwortliche Person das Band
nicht ins Lesegerät steckt und nachschaut, ob da Daten drauf sind.
Sie legt es einfach zu den anderen Back-up-Tapes.
Wie groß war die
Datenmenge auf Ihrem Band?
Da waren mehr als
eine Million DIN-A4-Seiten drauf, voller Informationen über 3929
verschiedene Gesellschaften. Davon rund 1400 aus Deutschland, über
700 aus der Schweiz, 600 aus den USA, 450 aus Großbritannien, 390
aus Italien, 350 aus Österreich, 280 aus Kanada, 230 aus den
Beneluxländern, 195 aus Frankreich, 195 aus Skandinavien, 150 aus
Osteuropa und 135 aus Südamerika. Und zu meiner völligen
Überraschung waren die Daten nicht verschlüsselt.
Wie viele
Steuersünder verstecken sich hinter diesen Zahlen?
5828 natürliche
Personen. Und 46 PEP, Politisch Exponierte Personen, so wie der
Zumwinkel. Zu meiner Überraschung bislang der einzige PEP, dessen
Fall zumindest teilweise öffentlich wurde.
Zumwinkel wurde
Anfang 2009 zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe
von einer Million Euro verurteilt. Außerdem musste er 3,9 Millionen
Euro Steuern nachzahlen. War der ehemalige Post-Chef im Verhältnis
zu den anderen deutschen LGT-Kunden ein großer Fisch?
Nein, Zumwinkel war
oberer Durchschnitt. Er hat dort ein zweistelliges Millionenvermögen
gehabt. Davon Barvermögen von sieben, acht oder zehn Millionen. Ich
weiß es gar nicht mehr genau.
Zumwinkel zeigte
zumindest Reue. Dem Richter gestand er: „Das war der größte
Fehler meines Lebens. Zu diesem Fehler stehe ich. Ich will hier
reinen Tisch machen.“
Na ja, der Zumwinkel
wusste, was er tat. Vor zehn Jahren wurde ja der Bochumer
Staatsanwaltschaft die Kundenkartei des Liechtensteiner Treuhänders
Herbert Batliner zugespielt. Paul Schockemöhle, der Springreiter,
bekam deswegen Ärger mit dem deutschen Fiskus. Und da war der
Zumwinkel derjenige, der seinen Treuhänder bei der LGT mehrfach
angegangen ist und gesagt hat: „Ja, kann das nicht bei Ihnen auch
passieren?“
Woher wissen Sie,
was Zumwinkel vor mehr als zehn Jahren mit seinem Kundenbetreuer
besprochen hat?
Die Kundenberater
machen nach jedem Gespräch einen Aktenvermerk. Meine Aufgabe war ja,
alle Dokumente zu lesen, durchzuforschen und zu indexieren. Und
Zumwinkel hatte wirklich Angst.
Die Treuhänder
führen also minutiös Protokoll?
Nicht minutiös,
aber die Treuhänder wissen mehr als manche Ehefrauen oder die Kinder
oder die Geschäftspartner. Man hat da eigentlich ein offenes Ohr für
alles und jeden. In den internen Vermerken habe ich natürlich
Geschichten lesen können über Familienstreitigkeiten, Zweit- und
Drittfrauen oder uneheliche Kinder.
Das klingt, als wäre
ein Treuhänder so etwas wie ein Beichtvater.
Es ist so, dass
interessanterweise die Kunden volles Vertrauen haben in den
Treuhänder. Durch meine Hilfe kann man der LGT jetzt nachweisen,
dass sie von dubiosen Geschäften wusste. Weil der Treuhänder halt
so dumm war, wenn ich das Wort verwenden darf, und in die Akte
schrieb, dass zum Beispiel ein Kunde erzählte, dass er seinen
Geschäftspartner übers Ohr gehauen habe.
Wie kommt denn das
Schwarzgeld zur LGT?
Man überweist es
auf ein ausländisches Konto, zum Beispiel in Spanien oder Portugal.
Dieses Konto gehört einer Briefkastenfirma, die indirekt der LGT
über Zwischenfirmen gehört. Sobald das Geld dort ankommt, wird dem
Kunden im Gegenzug derselbe Wert in Euro oder Schweizer Franken oder
egal welcher Währung bei der LGT in Liechtenstein gutgeschrieben. So
gibt es keine Verbindung oder offiziellen Geldtransfers zwischen dem
Kunden und Liechtenstein. Oder wenn der Kunde sich traut, bringt er
es gleich in bar vorbei.
Schwarzgeld in
Aktenkoffern in eine Liechtensteiner Bank zu tragen ist doch viel zu
auffällig.
Da hat die LGT
natürlich vorgesorgt. Man fährt einfach mit dem Auto in das
öffentliche Parkhaus in Vaduz, das liegt direkt unter der Treuhand.
Dort gibt es einen eingemauerten Abstellplatz mit einem metallenen
Tor. Das ist wie ein befahrbarer Safe. Von dort kann der Kunde mit
seinem Geld sicher und ungesehen in die LGT gelangen. So ist es auch
ausgeschlossen, dass der Kunde im öffentlichen Parkhaus von Dieben
eins über die Birne kriegt.
War Ihr
Datendiebstahl von langer Hand geplant oder eine spontane Eingebung?
Die Chance habe ich
schon recht früh erkannt, doch die endgültige Entscheidung fiel in
meinem anderen Leben. Da ging es um Folter und Unrecht, das mir
widerfahren ist. Da hat sich bei mir die Notwendigkeit entwickelt,
dass ich es haben muss, dass ich die Macht dieses Bands in den Händen
haben muss.
Und diese Macht
haben Sie zu Geld gemacht.
Blödsinn! Um Geld
ging es mir nie.
Sondern?
Um Gerechtigkeit!
Wer hat Ihnen denn
Unrecht getan?
Vor allem Hans-Adam!
Sie meinen Seine
Durchlaucht, den Fürsten von und zu Liechtenstein?
Ja! Er und seiner
ganzer Apparat, die Regierung, die Justiz, haben mich von 1997 bis
2005 verarscht. Die haben mir mein Recht verweigert. Ich wollte nur
eines: meine verdammten Folterer auf die Klagebank bringen.
Jetzt erzählen Sie
mal der Reihe nach. Worum ging es da? Wer hat Sie gefoltert?
Im März 1997 bin
ich nach Argentinien gegangen, um bei einem Freund, einem Spanier,
Schulden einzutreiben. Es ging um rund 240 000 Schweizer Franken
plus Zinsen. Ein Darlehen aus dem Jahr 1993, mit Vertrag und allem.
Was ich nicht wusste, war, dass sich der Spanier mit einem anderen
Bekannten von mir, einem Deutschen, zusammengetan hatte, um mir eine
Falle zu stellen. Auf perfide und clevere Weise wollten sie mich um
das Darlehen bringen und mir mein ganzes Erspartes abpressen. Sie
ließen mich entführen, sperrten mich in einen Wasserturm, folterten
mich. Auch wurde ich psychologisch misshandelt. Ich hatte
Verletzungen am Hals und an den Handgelenken, tiefe Schnitt- und
Brandwunden. Das ist alles dokumentiert. Ich habe nur mit ganz, ganz,
ganz viel Glück überleben können. Nach zwölf Tagen ließen sie
mich frei, und ich bin sofort nach Hause geflogen, ging sofort ins
Spital in Vaduz und machte auch sofort eine Anzeige bei der Polizei.
Entschuldigung, aber
das klingt wie eine Räuberpistole.
Das ist aber die
Wahrheit! Natürlich klingt das für Außenstehende wie ein
Horrorfilm. Deshalb habe ich alles aufgeschrieben, zuerst für mich
selbst. Es wurde ein dicker Schinken, über 600 Seiten. Mein Buch
stützt sich auf tonnenweise erdrückendes Material, Unterlagen des
Landgerichts und der Staatsanwaltschaft. Letztere hat mir dann ganz
salopp per Einzeiler mitgeteilt, dass sie meine Anzeige nicht weiter
verfolgen will. Das Buch kann sich ab Sonntag jeder im Internet
kostenlos herunterladen. Da kann sich jeder seine eigene Meinung
bilden.
Und was hat diese
Geschichte mit dem Fürsten von Liechtenstein zu tun?
Er gab mir 2003 sein
Ehrenwort, dass die Täter von Argentinien verfolgt und vor Gericht
gestellt werden, koste es, was es wolle. Aber da ist nie was
passiert.
Also haben Sie die
Kundendaten der fürstlichen Treuhandfirma geklaut und Ihr
Staatsoberhaupt damit erpresst?
Erst mal hab ich
mich bei Hans-Adam im Januar 2003 in einem Brief entschuldigt. Ich
hab ihm geschrieben, dass ich ihn bitte, dank seiner Macht, einen
Sonderstaatsanwalt zu benennen, der sich die Argentinien-Sache noch
mal von Grund auf anschaut. Gleichzeitig hab ich gesagt, dass ich
alle Daten seiner LGT Treuhand habe und in Deutschland bin.
Die Information muss
doch in Liechtenstein eine Staatskrise ausgelöst haben.
Die Vorstellung, ich
könnte mich den deutschen Steuerbehörden als Kronzeuge zur
Verfügung stellen und auspacken, war aus der Sicht von Hans-Adam
schon die größtmögliche Katastrophe. Und da ich in Deutschland
untergetaucht war, versuchte er, mich nach Liechtenstein zu locken.
Aber darauf sind Sie
zunächst nicht eingegangen.
Bei einem der vielen
Telefongespräche mit Hans-Adam hat er mir gesagt: „Gehen Sie doch
zu den Deutschen oder Amerikanern mit den Daten, die Sie glauben zu
haben.“ Und ich habe erst nach dem Gespräch realisiert, was er
damit meinte. Da hab ich festgestellt: Oh Gott, der denkt, ich habe
sie nicht ...! Da habe ich unter komplizierten Umständen vier
Daten-DVDs gebrannt und mir einen ganz cleveren Weg ausdenken müssen,
wie ich die jetzt sicher Hans-Adam überbringen lassen könnte. Ich
habe sie dann zur liechtensteinischen Botschaft in Berlin gebracht.
Und wie ging es dann
weiter?
Hans-Adam hat einen
der berühmtesten Profiler angeheuert, um mich aufzuspüren und zur
Aufgabe zu bewegen.
Wer war das?
Doktor Thomas
Müller, der Kriminalpsychologe aus Wien. Er sollte die Daten
zurückbringen, mit oder ohne Kieber. Doktor Müller ist bekannt
dafür, Morde zu studieren und aufzuklären oder Täter von
Sexualdelikten zu finden, aber nicht lebendige, in Berlin
herumirrende liechtensteinische Datenträger.
Offensichtlich hatte
er Erfolg. 2003 sind Sie mit den Daten nach Liechtenstein
zurückgekehrt. Hatten Sie so großes Vertrauen in Müller?
Er war der Einzige,
der sich wirklich mit der Argentinien-Geschichte auseinandergesetzt
hat, was ja der Fürst in Wahrheit nie getan hatte.
Was passierte nach
Ihrer Rückkehr?
Das Fürstenhaus,
die Regierung und die Banker waren heilfroh, dass ich wieder in
Liechtenstein war und die Katastrophe nicht eingetreten war. Ich
stand ja bei Hans-Adam im Wort, dass ich alle Daten und alle Kopien
vernichtet hatte.
Offensichtlich haben
Sie Ihren Teil der Abmachung nicht eingehalten.
Ich habe alle
Bedingungen erfüllt, außer mit dem kleinen Geheimnis, dass ich noch
eine Kopie in einem anderen Land sicher versteckt hatte. Aber ich hab
wirklich vorgehabt, diese letzte Kopie zu vernichten, wenn Hans-Adam
sein Versprechen einlöst. Aber zu meinem größten, größten,
größten Schock hat er sein Wort nicht gehalten. Stattdessen wurde
ich gezwungen, mich vor Gericht schuldig zu bekennen. So wurde ich
auch wegen versuchter Nötigung Hans-Adams verurteilt.
Mit der Strafe von
drei Jahren auf Bewährung hätten Sie doch gut leben können.
Außerdem sollen Sie vom Fürsten 580 000 Schweizer Franken als
Schweigegeld bekommen haben.
(Lacht) Ich habe nie
Geld von Hans-Adam verlangt und von ihm auch keines bekommen. Ich
wollte nur Gerechtigkeit. Im Gegensatz zu anderen Datendieben. Denken
Sie doch nur an den Fall der Liechtensteinischen Landesbank, die
wurde zur selben Zeit, Anfang 2003, von einem ehemaligen Angestellten
um 18 Millionen Schweizer Franken erpresst. Und Komplizen von dem
Erpresser haben dann auch etliche Millionen erhalten.
2006 haben Sie es
dem Fürsten heimgezahlt und sind mit den Daten zum deutschen
Bundesnachrichtendienst marschiert.
Jawohl. Ich hab mich
gerächt, an Hans-Adam, seiner Marionettenregierung und der Justiz.
Warum wandten Sie
sich ausgerechnet an den BND?
Ich brauchte Schutz
und eine fähige Behörde, die die Konsequenzen einer solchen
Offenbarung meinerseits abschätzen und bewerkstelligen konnte. Der
BND hatte dazu Mittel und Wege zur Verfügung.
Wenn es um Schutz
geht, haben amerikanische Behörden doch ganz andere Möglichkeiten.
Es hat ja niemand
gesagt, ich hätte mich nicht an die Amerikaner gewandt. Vertrauen
ist gut, Mehrfachabsicherung ist am besten, kann ich da sagen. Und
wer mich kennt, der weiß, dass ich mich am liebsten immer mehrfach
absichere. Der BND hat Vor- und Nachteile. Die Amerikaner haben
praktisch nur Vorteile.
Dennoch wählten Sie
zuerst den BND.
Es war eine
Zeitfrage. Der Vorteil beim BND lag darin, dass alle Dokumente auf
Deutsch sind. Die Amerikaner mussten erst alles übersetzen, was
seine Zeit braucht. Die Deutschen waren in meinen Augen am ehesten
fähig, sofort und schnell zu erkennen, um was es ging – und
dementsprechend auch zu handeln.
Wie kommt man mit
dem BND in Kontakt?
Am besten ist es,
den einfachsten Weg zu nehmen. Ich habe von Südafrika aus eine
E-Mail geschrieben – natürlich ohne mich zu outen, logischerweise.
Aber ich habe so viel geschrieben, dass das Interesse sofort da war.
Die E-Mail ist offenbar auf dem Tisch der richtigen Person gelandet.
Was stand denn da
drin?
Ich habe nicht
einmal Liechtenstein erwähnt. Es hätte mich aber gewundert, wenn
sie nicht reagiert hätten, bei den Sachen, die ich geschrieben habe
bezüglich organisierter Kriminalität und Geldwäscherei. Ich habe
dem BND Wege der Geldwäscherei gezeigt, die sie meines Wissens nicht
kannten.
Wie hat der BND
reagiert?
Nach zwei Tagen
bekam ich eine E-Mail. Allerdings nicht von einer BND-Adresse,
sondern von einem anonymen Gratis-E-Mail-Account. Ich wusste, dass
sie vom BND ist. Sie hatten mein Anschreiben in ihre Antwort-Mail
kopiert. Und dann haben wir uns getroffen.
Mit wie vielen
Agenten hatten Sie zu tun?
Sie schickten mir
einen Mann und eine Frau. Sie nannten mich David, und ich nannte sie
Schiller. Herr und Frau Schiller. Die waren mir einfach sympathisch,
Menschen wie du und ich.
Woher wussten Sie,
dass die wirklich vom BND waren?
Sicher kann man sich
nie sein. Irgendwie erkenne ich Beamte auf den ersten Blick. Beim
ersten Treffen haben sie Ausweise gezeigt. Deutsche Ausweise.
BND-Ausweise?
Das darf ich nicht
sagen. Aber es waren keine Mitgliedsausweise von einem Fitnessclub in
München-Pullach. Ich sag mal so: Sie haben Dienstausweise gezeigt.
Aber der BND kann natürlich alle Ausweise herstellen.
Hatten Sie keine
Angst, dass der BND Sie über den Tisch ziehen könnte?
Ich mag sehr
vorsichtig und übermisstrauisch sein, aber das ist nicht zu
verwechseln mit Angst. Wenn’s sein muss, treffe ich mich mit jedem.
Und die Schillers wurden mir immer sympathischer, weil ich gesehen
hab, dass sie mehr als einmal die Gelegenheit gehabt hätten, mich
reinzulegen. Ich habe das alles nur machen können, weil ich allein
war, nicht nur physisch, sondern auch emotional. Wenn ich Familie,
Kinder gehabt hätte, hätte ich es nicht gemacht, weil das Risiko zu
groß war. Ich selbst kann auf mich aufpassen, so gut es geht, und
wenn die Kugel kommt, dann kommt sie nur für mich. Wenn ich Familie
gehabt hätte, dann wäre sie auch für meine Frau und die Kinder
gekommen.
Wie hat der BND Ihre
Glaubwürdigkeit überprüft?
Ich gehe immer sehr
gut vorbereitet in so Dinge rein. Gleich am Anfang habe ich Herrn und
Frau Schiller mit überzeugendem Material bombardiert. Ich habe meine
Ausweise gezeigt, meinen Arbeitsvertrag mit der LGT und Akten meiner
Verfahren in Vaduz. Sie wollten zuerst wissen, was meine Motivation
ist. Ist es Rache, ist es Mitleid, ist es Geld? Für sie war
ausschlaggebend, dass ich tatsächlich Liechtensteiner Bürger bin
und bei der LGT gearbeitet habe. Und da ich mit Haut und Haaren
Liechtensteiner bin und meine Beweggründe gut erklären konnte,
haben sie es begriffen.
Über was sprachen
Sie beim ersten Treffen mit den Geheimdienstagenten?
Im Gegensatz zu
späteren Treffen mit Vertretern anderer Länder, wo mein Gegenüber
manchmal nicht wusste, was ein Treuhandkonto ist, war ich beim BND
überrascht. Der Herr Schiller hatte ein ganz gutes Wissen, nicht nur
über allgemeine organisierte Kriminalität und Geldwäscherei. Und
die Frau Schiller, die kam aus dem Rechtsbereich.
Haben Sie zu der
Zeit auch mit Behörden aus anderen Ländern verhandelt?
Ja. Zuerst habe ich
sie auf den neuesten Stand gebracht und später dann die jeweiligen
vollständigen Datensätze persönlich überbracht. Oder überbringen
lassen. Ich hatte dies auch dem BND erzählt.
Sie sind also
mehrgleisig gefahren.
Ja. Hauptsächlich
aus sicherheitstechnischen Überlegungen. Man darf nicht vergessen,
ich musste immer aufpassen, ich bin ja eine Ein-Mann-Show und keine
Armee.
Mit wie vielen
Ländern haben Sie kooperiert?
Mit jedem, der
wollte.
Können Sie eine
Zahl nennen?
Es sind zwölf, 13,
mein Gott, ich glaube es sind 13 Länder.
Haben Sie an die
anderen Geheimdienste auch einfach eine E-Mail geschrieben?
Nein, keiner macht
es einem so einfach wie der BND.
Wann haben die
Agenten die Daten das erste Mal zu sehen bekommen?
Der BND war vor
allem interessiert an der Struktur und den Abläufen bezüglich
Geldwäscherei und organisierter Kriminalität. Die waren nie
interessiert an der Steuerhinterziehung. Erst nach dem fünften oder
sechsten Treffen mit den Schillers 2006 war ich einverstanden, dass
die Steuerfahnder hinzugezogen wurden. Ich habe etwas mehr als zehn
Prozent der deutschen Daten, 150 Namen von Stiftungen, kopiert und
mitgebracht. Die waren hoch begeistert. Schon ohne Datenabgleich mit
ihren Computern waren die Steuerfahnder von der Echtheit der Daten
sofort überzeugt.
Kannten die
Steuerfahnder einige der Stiftungsbesitzer?
Von den 150
Stiftungen kannten sie nur zwei. Deren Inhaber hatten ihr Vermögen,
das die LGT verwaltete, in Deutschland versteuert.
Sie haben damals
fünf Millionen Euro Honorar bekommen. Wie kam das zustande?
Mir war alles recht,
was mir der BND in Sachen Sicherheit anbot. Aber ich hab schon
gefragt, was für mich dabei herausspringt, wenn ich schon
untertauchen muss. Die Summe haben die Steuerfahnder vorgeschlagen.
Die fünf Millionen waren ein Prozent der geschätzten
Steuereinnahmen. Sie gingen von einer halben Milliarde Euro aus. Ein
Prozent davon an mich auszuzahlen, sahen die Steuerfahnder auch als
vertretbar an in der Argumentation gegenüber der Kanzlerin und dem
Finanzminister. Aber es war schon eine Riesen-Überraschung, für
mich und den BND, dass es grünes Licht von den beiden gab. Wie hieß
noch mal der Finanzminister damals?
Peer Steinbrück.
Genau! Wie
Steinbrück damals schon sagte: Es war das Geschäft seines Lebens.
Und das glaube ich auch.
Ebenso für Sie.
Auch bei den Amerikanern haben Sie ordentlich kassiert. Dort gibt es
eine Regelung, die Steuerinformanten bis zu 30 Prozent der
eingenommenen Summe verspricht. Wie viele Millionen bekamen Sie denn
aus Amerika?
Tja, Amerika ist
Amerika. Wie gesagt, Geld ist eigentlich nicht wichtig.
Das sagen Sie so als
vielfacher Millionär.
Ja! Aber es kommt
darauf an, was man mit dem Geld macht.
Was machen Sie mit
dem vielen Geld?
Also Aktien hatte
ich zum Glück jetzt keine gekauft.
Wie legen Sie Ihr
Geld dann an?
Ich lege es nicht in
europäische Staatsanleihen an (hustet). Ich habe mich gerade
verschluckt, vermutlich wegen der vielen Millionen (lacht).
Was machen Sie nun
mit Ihrem vielen Geld?
Ich habe keinen
Ferrari, Porsche oder Lamborghini. Das ist nicht mein Ding. Man darf
nicht vergessen, woher man kommt. Ich bin zwar Liechtensteiner, aber
ganz normal aufgewachsen. Und ich bin ein bescheidener Mensch.
Am 19. Februar 2008,
fünf Tage nach der Verhaftung von Post-Chef Zumwinkel,
veröffentlichte das „Wall Street Journal“ Ihren Namen. Viele
internationale Medien folgten. Sie waren damit enttarnt als Datendieb
der LGT. Was ging Ihnen da durch den Kopf?
Ein wenig überrascht
war ich, weil es so schnell herausgekommen war. Ich hatte
Liechtenstein schon 2005 verlassen und wusste, was auf mich zukommen
würde. Ich wurde auch sehr gut seitens des BND vorbereitet.
Was war das für ein
Gefühl, als Sie die CD den Steuerfahndern übergaben und die Daten
endlich los waren?
Ich will es nicht
abstreiten. Da waren neun Jahre aufgestauter Stress, Hass und das
Ungerechtigkeitsgefühl seit dem Vorfall in Argentinien 1997. Das
hatte in diesem Moment sein Gegenstück gefunden.
Können Sie Ihr
Gefühl näher beschreiben?
Genugtuung. Wenn ich
eins hatte, dann war es ungeheure Genugtuung!
Seit dem
Datendiebstahl ist Ihr Leben sehr kompliziert geworden. War es das
wert?
Die Frage stellt
sich für mich gar nicht. Ich wusste, dass ich mit diesem Entscheid
für viele Menschen eine unangenehme Situation schaffe. Aber
Zumwinkel & Co. wussten ja auch, was sie tun und was recht war
und was nicht. Da hab ich kein schlechtes Gewissen wegen denen. Ihm
und dem Geschäftsmann aus Düsseldorf kann ich nur empfehlen, mein
Buch zu lesen. Dann verstehen sie auch, dass es nicht meine Schuld
ist, dass es so kam, wie es gekommen ist. Hans-Adam kann ich nur
sagen: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.
Warum
veröffentlichen Sie das Buch erst jetzt?
Seit Frühjahr 2008
sind Hans-Adam und die hohen Finanzherren in Vaduz geradezu krankhaft
damit beschäftigt, ein Bild eines bösen, hoch kriminellen Kiebers
zu kreieren und zu pflegen. Mit immer ausgefeilteren Methoden. Und
dem will ich jetzt etwas entgegenhalten.
Sie scheinen nichts
dem Zufall zu überlassen und planen alles ganz genau. Was kommt als
Nächstes?
Ich habe Pläne wie
jeder andere normale Mensch in meinem Alter auch: gesund bleiben und
alt werden und jeden Tag ein bisschen weiser.
Ihre Mutter hat im
Interview mit einer Boulevardzeitung gesagt, dass ihr Sohn am
liebsten eine Familie gründen will.
Ja, wer will das
nicht? Aus verständlichen Gründen kann ich über mein persönliches
Leben nicht viel erzählen. Ich würde ja gern sagen, was ich den
ganzen Tag mache, aber ich kann nicht. Alles, was ich in Bezug auf
meine Familie sage, könnte Rückschlüsse für meinen Jäger
Hans-Adam zulassen. Das kann ich nicht machen. Hans-Adam hat ganz
viele Mittel zur Hand. Der kann dann wieder ein Profil von mir
erstellen.
Nach Liechtenstein
werden Sie wohl nicht zurückkehren, oder?
Sag niemals nie,
nicht? Gut, lebend kann ich nie mehr zurück. Das heimische Volk wird
mich vermutlich in 30, 40 Jahren vergessen, nehme ich mal an. Das
Blaublut in Liechtenstein allerdings denkt nicht in Jahren oder
Jahrzehnten, die denken in Jahrhunderten. Die ganze Sippe wird mich
auf immer und ewig hassen wie die Pest.
Mitarbeit: Johannes
Gunst, Dirk Liedtke, Nina Plonka
Kasten:
Die Akte Zumwinkel
Bargeld fürs
Schloss in Italien
Der Kunde, so heißt
es in den Anweisungen der LGT Treuhand, „bleibt meistens über
Mittag“. Es sei dann „jeweils ein kleiner Lunch zu organisieren
Sandwiches etc“. Klaus Zumwinkel galt als „sehr sensibler
Kunde!!!“ Im Frühjahr 2000 kam er nach Liechtenstein, um 225
Millionen Lire, umgerechnet rund 120 000 Euro, für die Renovierung
seines Schlosses Tenno am Gardasee abzuholen. „Trotz des Hinweises
auf das Risiko“, so vermerkt der Berater, habe „Z“ beschlossen,
„das Geld bar mitzunehmen“. Man beruhigt sich, dem Post-Chef
komme an der Grenze „die hohe Frequenz des Osterverkehrs“ zugute.
Niemals durften
Treuhandmitarbeiter Zumwinkel von sich aus kontaktieren (siehe oben).
„Eine direkte Kontaktaufnahme seinerseits mit der LGT erfolgt nur
über das Codewort ,Abels‘“, heißt es ergänzend.
In seinem Depot
hatte er Bundesanleihen, aber auch Papiere aus Kanada, Irland oder
der Türkei. Gesamtwert zum Stichtag 30. Juni 2002: 7,561 Millionen
Euro. Daneben verfügte er über 793 000 Euro sogenanntes Callgeld
und 659 000 Euro auf dem Festgeldkonto.
Im Januar 2009
verurteilte das Landgericht Bochum Zumwinkel wegen
Steuerhinterziehung von 2002 bis 2006 zu zwei Jahren Haft auf
Bewährung und Zahlung von einer Million Euro. 3,9 Millionen
Steuerschuld der letzten zehn Jahre hatte er bereits zuvor beglichen. Zurück |