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Michaela Krüger „Ziellos zähe Tage

Nominiert für den Deutschen Reporterpreis 2010.

Ziellos zähe Tage


Bernd ist arbeitslos, aber er sagt es keinem. Morgens verlässt er pünktlich das Haus, mittags sitzt er auf der Parkbank, manchmal geht er ins Drei-Euro-Kino. Vor sechs Uhr abends kehr er nie nach Hause zurück. Das Protokoll einer versteckten Arbeitslosigkeit


Michaela Krüger, Kölner-Stadtanzeiger, 11.09.2010


Bernd* (* Namen geändert) hat keine Arbeit. Das alleine wäre keine Nachricht wert. Er ist einer von vielen Erwerbslosen, die es in Deutschland nach wie vor gibt. Aktuell liegt die Zahl bei Dreikommazweimillionen, rund, so ungefähr, wie es dann schnell heißt. Die nächsten Statistiken werden Ende September veröffentlicht.

Einer wie Bernd bleibt in ihnen unberücksichtigt. Weil der sowieso rausfällt. Bernd hat keine Arbeit. Und er sagt es keinem. Außer hier, in seiner Wohnung, zum ersten Mal. Bernd steht in der Küche, es ist ein Uhr nachts, und er spült die Teller nach einem Essen mit Freunden ab, von denen ihm nicht viele geblieben sind. Wir sind allein, seine Freundin schläft, die leeren Rotweinflaschen hat er neben die Spüle gestellt. Ich bin arbeitslos", sagt er. Und eine Gabel fällt aus seiner Hand. Schon seit mehr als einem Jahr. Keiner weiß es." Bernd, der 40 Stunden die Woche in einer Tischlerei verbringt, häufig auch mehr. Der 3100 Euro verdient. Der ein Kind mit seiner Freundin plant. Alles angeblich. Bernd, 38, der dasteht und nur scheinbar funktioniert. Wie er das macht? Es ist eine lange Geschichte.

Jeden Morgen geht er durch die Tür, um so zu tun, als habe er noch einen Job. Ziellos zähe Stunden hat er vor sich, die es totzuschlagen gilt. Sie folgen einem festen Plan. Er führt von der Stresemannstraße rechts ab in die Gerberstraße, 125 Meter geradeaus, links in die Grünanlage, in der die Jogger laufen. Es ist 8.35 Uhr, seine Freundin, nennen wir sie Gitta, ist vor einer Stunde aufgebrochen. Sie arbeitet in der Verwaltung, beim Finanzamt, ausgerechnet dort", sagt Bernd. Korrekt sei sie schon immer gewesen. Und seine große Liebe auch. Vielleicht sind es zwei der wichtigsten Sätze für diese Geschichte. Im Wohnzimmerschrank reiht sich ein Ordner mit der Steuer 2009" an Rechnungen 2010", daneben folgt das Fotobuch von Mallorca 2007, darauf ein Album der Hochzeit von Susi", ihrer engsten Freundin. Den Rücken des Bandes zieren gemalte Herzen. An der Wand hängt ein Porträtfoto von Bernd und Gitta. Sie ist 29 Jahre alt, das Gesicht ist schmal, Rouge liegt auf den Wangen. Sie lächelt sehr schön, ihre Augen strahlen, ihre langen, blonden Haare sind gelockt. Bernd hält sie fest im Arm.

Gehen wir?", fragt Bernd in die Stille hinein. Dann fällt die Tür ins Schloss. Es hallt nach bis nach oben in den vierten Stock des Mehrparteienhauses. Zack, ein kurzer Krach, der zusammenzucken lässt. Warum mache ich das alles hier?", fragt Bernd, ohne eine Antwort zu erwarten und zieht sich die Kapuze in den Nacken. Eilig startet er seinen Weg. Stresemannstraße. Gerberstraße. Wie ein Gehetzter blickt er immer wieder hinter sich. Ja, wieso, Bernd?" Er schüttelt den Kopf, erwidert, ohne stehen zu bleiben: Ich weiß es nicht. Ich habe den Faden verloren." Gedanken mag es da viele geben, in einer Welt, die ein Kommt darauf an" ist. Ein Ja oder ein Nein. Ein Spiel oder eine Katastrophe. Wahrheit oder Lüge. Pflicht kann es lange keine mehr geben. Alles ist zu einer Sache der Auslegung geworden. Bernd hat ja Arbeit. Zumindest im Kopf. Zumindest glauben das seine Freunde. Zumindest seine Mutter. Zumindest seine Freundin, die ihn heiraten will. Ich habe es erst nicht gesagt, weil ich mich so geschämt habe. Und jetzt? Wie sollte ich denn der Person, die ich liebe, erklären, dass ich sie schon so lange belüge? Ich habe den Absprung verpasst. Und eine Wahnsinnsangst davor, dass es endgültig zu spät ist. Für sie und mich."

Stresemannstraße. Gerberstraße, Knick nach links. 840 Meter, 1230 Schritte, Bernd hat sie einmal beim Gehen mitgezählt. Sein Ziel ist die Parkbank, er stoppt um 9.08 Uhr. Bernd packt seine Butterbrotdose aus, stellt sie neben die Thermoskanne, die er jeden Morgen mit grünem Tee befüllt. Bis 11.45 Uhr wird er hier verweilen. Dann wird er seine Freundin vom Handy aus anrufen, dessen Vertrag er noch zwei, drei Monate bezahlen kann so lange, wie das geliehene Geld von seinem Freund Micha* reichen wird, dem er erzählte, er mache sich selbstständig und brauche dafür 20 000 Euro. 6325 Euro hatte er selbst noch auf dem Konto.

Bernd, wie soll das aufgehen? Wie kann das keiner merken? Und wie soll man selbst dieses Geheimnis behandeln? Darüber schweigen, es verraten?

Das Geld wird knapp. Die Zeit damit auch. 9.08 Uhr Parkbank. 11.45 Uhr Einläuten der Mittagspause. 13 Uhr weiter im Betrieb, der manchmal in einer günstigen Kinofrühnachmittagvorstellung endet, manchmal in einer der Bäckereiketten, in denen Bernd auf einen Knopf drückt und der Kaffee für 99 Cent fließt. Überlegt", sagt Bernd, habe ich das auch schon mal", und meint damit einen 430-Euro-Job anzunehmen. Aber dann wüsste es doch jeder. Früher, ja früher, da war alles so normal."

Früher machte er ja die 3100 Euro brutto im Monat. Früher, das ist eine Zeit, die sich weiter weg anfühlt, als sie es tatsächlich ist; 16 Monate sind es, die in Bernds Rücken liegen, eine Zeit, die ihn erdrückt hat, er geht jetzt stets ein wenig krumm, geduckt. Der persönliche Bankrott", wie Bernd ihn nennt, nistet sich ein im Körper. Vielleicht können Menschen ihm sogar zum Opfer fallen, sie verkümmern, sie verkrümmen in ihrer Haltung. Bernd schläft schlecht, sagt er. Nacht für Nacht erlebt er sein Leben wie einen nicht enden wollenden Film, der ihn um den Traum bringt und um den seiner Freundin auch. Sie wundert sich, wenn sie in der Nacht kurz wach wird, warum Bernd daliegt, mit offenen Augen, schlaflos und wirsch, wenn sie ihn berühren möchte. Das Kind soll doch endlich kommen. 2011, 2012? Bernd, was ist los, murmelt sie dann. Nichts, antwortet er und dreht sich um.

Manchmal, hat Bernd gesagt, denke er, jeder könne sein Geheimnis in ihm lesen, so, als sei er durchsichtig. Gläsern. Als könne es jederzeit brechen. Es tut uns leid, waren die Worte, auf die nicht mehr viele folgten. In den Sätzen, die an Bernd vorbeirauschten, kamen die Begriffe Finanzlage vor, schlecht, kein Platz mehr für ihn, etwas anderes finden. Kündigung. Acht Jahre hat Bernd in einem Betrieb gearbeitet, bis der Chef pleiteging. Schreiner hat er gelernt, seinen Meister nachgeschoben. Wenn es die Zeit neben dem Job zuließ, entwarf er selbst Möbel. Sein Meisterstück steht zu Hause in der Küche, es ist ein Tisch aus massivem Holz, mehr als zwei Meter lang. An ihm finden viele Personen Platz. Wobei fänden das richtige Wort ist, seit nur noch Bernd die Wahrheit kennt, und er sich mehr und mehr zurückzieht.

Die Arbeitslosenzahlen werden schöngerechnet, sagen Kritiker. Es wird darüber spekuliert, ob Hartz IV zu viel zum Leben ist. Oder zu wenig zum Sterben. Ob Bezieher das Geld nur versaufen und für Zigaretten ausgeben. Darüber, was sozial gerecht ist. Ob ein Hartz-IV-Empfänger ein Schmarotzer sei. Oder eine arme Sau. Oder einer, der sich stets redlich bemüht. Bernd rief seinen besten Freund Micha an.

Kannst Du mir Geld leihen? Ich will mich selbständig machen?"

Selbständig, womit?", fragte der.

Was mit dem Internet."

Was mit dem Internet?"

Ja. Einen Vertrieb für Baustoffe", sagte Bernd.

Das brauche seine Zeit, bis die Webseite aufgebaut sei, und auch, bis der Gründungszuschuss von der Agentur für Arbeit auf dem Konto eingegangen sei. Rund 10 000 Euro bekäme er. Wenn alles gut laufe, bewillige zudem die Bank einen Kredit. Er werde alles bald zurückbezahlen. Der Freund schickte ihm das Geld.

Freunde" hat Bernd nach wie vor, aber die sind verteilt quer durch Deutschland, und irgendwie kennen sie ihn ja, den Bernd. Der, das wussten alle, meldet sich sowieso nicht so oft. Viel zu tun. Wenn man sich sah, war alles wie immer, ein Wort gab das andere, alles war gut an diesen Abenden, und man verstand sich so, als habe man sich erst gestern gesehen. Zwei Bier, ab und an auch fünf, eine Runde Billard, oder ein gemeinsames Essen zählten zum Programm. Manchmal Disco. Danach Monate Pause und alles auf Anfang. Die letzte E-Mail von Micha, mit dem er schon die Grundschule besuchte, ist zwei Wochen alt. Hey", steht darin, muss für zwei Wochen nach Spanien. Besprechungen. Danach mal wieder einen trinken? Hier ist alles beim Alten. Grüße auch von Ellen. Schwanger sind wir immer noch nicht. Und selbst?"

Die Eltern, sagt Bernd, habe er schonen wollen. Er sitzt mit mir in der Bahn, und sie fährt uns zum Mittagessen zu ihnen. 37 Kilometer entfernt wohnen sie von der kleinen Stadt im Ruhrgebiet, in der Bernd heute lebt. Seine Eltern kenne ich von früher, von damals, als Bernd zu einem Freund wurde, in meiner Studienzeit. Manchmal haben wir seine Eltern gemeinsam besucht, wenn wir am Wochenende unterwegs waren und Lust hatten auf einen Kaffee zwischendurch. Wie lange ist es her, dass ihr mal zusammen hier wart?", sagt die Mutter, eine kleine, rundliche Frau mit einer großen Brille und viel Freundlichkeit im Gesicht. Und man weiß nicht, ob man hibbelig werden möchte, ungeduldig, sauer, mitleidig, ob man sich schämen muss, weil man irgendwie Teil der Lüge geworden ist, ob man schreien möchte: Das muss doch jemand begreifen. Irgendjemand? Die Mutter vielleicht? Zumindest die, schießen die Gedanken durch den Kopf, während man so dasitzt zwischen Kartoffeln und Rotkohl und der Vater sich eine extra Bratwurst auf den Teller legt, ganz wie früher. Das war schon immer Bernds Lieblingsessen", sagt die Mutter zwischen zwei Löffeln und dann, zwischen einen weiteren Löffel hinein: Bub, du siehst schlecht aus." Sie kaut auf einem Stück Wurst, der Vater schweigt, am Ende fragt er, ob man am Wochenende zusammen Fußball gucken wolle. Oder das Spiel zumindest im Radio hören. Weil, nun ja, das Geld werde ja auch nicht mehr und die Tickets fürs Station kosteten 44,90 Euro. Ruf doch einfach durch, wenn du weißt, wie es mit deiner Zeit aussieht." Er steht auf und geht in den Keller, um weiter an der Eisenbahnanlage zu basteln. Bernd sagt wenig, kaut viel. Als wir wieder gehen, umarmt er seine Mutter sehr fest. Kommt bald mal wieder, das wäre schön", sagt sie. Und grüß die Gitta."

Verdeckte Arbeitslosigkeit" nennen Soziologen das Phänomen. Aber viel findet sich zu dieser Thematik nicht, wie auch? Der einzig bekannte Name lautet Dunkelziffer, wie immer in Geschichten, deren sozialer Inhalt prekär ist. Hier mag sie am schwierigsten zu erahnen sein, weil es nicht einmal eine Grundlage gibt. Die Arbeitslosenzahl ist gesunken, wir wiederholen das gern. Dreikommazwei. Doch wo liegt die Zahl wirklich, wenn man alle Umschüler, Zweitumschüler, Tagelöhner hineinrechnet? Oder Menschen wie Bernd, jene Größe von Mensch, die gering sein mag. Oder auch nicht? Wer kennt schon das wirkliche Ausmaß von Scham?

Offiziell gibt es Menschen wie Bernd ja nicht. Nur manchmal, in sehr seltenen Meldungen, die dann lauten wie Ein Mann in Süddeutschland hielt seine Arbeitslosigkeit vier Jahre lang vor seiner Familie versteckt. Das Ganze fiel erst auf, als er einen Schlecker-Markt überfiel. Die Polizei verhaftete ihn, das Gericht verurteilte ihn zu vier Jahren Haft. Die Schulden belaufen sich auf Summen im sechsstelligen Bereich." Es existieren auch Filme über sie, einer von ihnen heißt Auszeit". Der französische Regisseur Laurent Cantet hat ihn 2001 in die Kinos gebracht und diverse Preise damit gewonnen, darunter den Goldenen Löwen". Sein Protagonist ist ein arbeitsloser Manager, der eine Anstellung bei den Vereinten Nationen in Genf erfindet, um seine Kündigung vor der Familie zu verheimlichen. Dafür reist er zur Organisation, wo er sich auf den Gängen des Palais des Nations" herumdrückt, Zeit totschlagend, halb pflichtbewusst die einschlägigen Broschüren studierend, die ihm verraten, worum es in seinem Beruf eigentlich gehen könnte.

Zwei-, dreimal im Monat steuert Bernd auf seinem Weg Firmen an, die irgendetwas mit Handwerk zu tun haben. Wenn es ein Sekretariat gibt, meldet er sich dort und fragt nach, ob vielleicht ein Job frei sei. Wenn nicht, versucht er, den Chef direkt zu erwischen. Er würde vieles machen, sagt er, auch nur für eine Woche kommen und zur Probe arbeiten. Einen Lebenslauf hat er immer dabei. Bernd, Realschulabschluss, Lehre, das Fachabitur nachgeholt, Meisterprüfung, mit der Note gut bestanden, mehr als 20 Jahre Berufserfahrung, zuletzt die acht Jahre in einem Vier-Mann-Betrieb. Dann die Pleite.

Einmal hat er ein Foto von sich vor einer der Firmen gemacht, wie zum Beweis, dass er wirklich da war. Er schält sein Handy aus der Westentasche. Da", sagt er und tippt auf das Display. Auf dem Bild lächelt er freundlich, die Haare sind zum Scheitel frisiert, ein weißes Hemd hat er an diesem Tag gewählt, um den Hals trägt er eine Krawatte. Der Arm, mit dem er sich gerade abgelichtet hat, ragt ins Foto hinein. Es hätte auch ein Schnappschuss sein können, von einem Junggesellenabschied. Aus dem Kururlaub. Mal so eben irgendwo.

Aus seinem Postfach hat Bernd vorhin einen Stapel brauner Umschläge geholt. Die Bewerbungen, die er verschickt, und die als Absagen zurückkommen, sind stets mit dieser Adresse versehen. Vorname, Nachname, darunter die Anschrift aus fünf Ziffern und der Stadt. Satt hab ich es", sagt Bernd, während es dunkel wird und kalt und nass und während er bemerkt, dass er seinen Schirm vergessen hat, und dass seine Freundin das gleich komisch finden wird, dass er so durchweicht von der Schicht nach Hause kommt. So satt."

Deshalb beschließt Bernd etwas. An einem weiteren dieser Morgende, an denen der Nieselregen die aufkommende Dämmerung in ein fades Grau taucht. Bernd steht am Fenster und fixiert einen dieser Punkte, die irgendwo im Nirgendwo liegen. Gitta hat dieses Wochenende bei einer Freundin verbracht. Sie müsse mal raus, hat sie gesagt. Bernd zündet sich eine Zigarette an. Lange atmet er ein, dann wieder aus. In der Luft bildet sich eine Kondenswolke.

Mit einem Mal lacht er aus dem Nichts. Es ist der Moment, in dem er die vermeintliche Entscheidung trifft. Ab morgen will er auf den Strich gehen. Arbeitsstrich, wenn es gut läuft, für einiges Geld am Tag. Das hat er gehört, von einem Freund, der ebenfalls seit Jahren keinen Job findet. Morgens um fünf Uhr stellen sich die Männer in eine Schlange und hoffen darauf, eingesammelt zu werden, wenn einer der Lieferwagen vorfährt, um sich die beste Ware für den Tag auszusuchen. Auf Baustellen geht es meist, weil Mörtel und Mauern immer Arbeit versprechen.

Arbeitsstrich?"

Ja, sicher", sagt Bernd. Machen doch viele."

Und das läuft gut?"

Keine Ahnung."

Schon mal gemacht?"

Nee. Aber wieso nicht? Ist doch nicht illegal."

Nein?"

Na ja. Kommt drauf an."

Umsetzen wird er diesen Plan später nicht. Es wäre ein weiterer Abstieg", sagt er am Abend. Aber die Geschichte von seinem Freund, die hat ihn nicht losgelassen, auch jetzt nicht, sie bleibt ein Lichtblick in einem Alltag voller Langeweile, in die sich Lügen reihen, eine nach der anderen, gepaart mit Angst. 50 Euro für den Tag, bar auf die Hand, hat der Fahrer im blauen Golf zu seinem Freund gesagt. Nur für echte Kerle." Dann ist der Freund eingestiegen, in einer abgelegenen Seitenstraße, nur wenige Kilometer von der Innenstadt entfernt. Die Bezahlungen sind unterschiedlich. Vier, fünf, manchmal sechs Euro die Stunde sind drin, wenn man sich hierher begibt. Wenn sich nicht der Alkohol in den Atem legt, man geduscht aussieht und danach, anpacken zu können, dann stehen die Chancen nicht schlecht, Arbeit zu finden für einen Tag. Manchmal auch für länger. Deutsch können muss man selten.

Am Ende, wenige Monate später, als wir uns wiedersehen, ist alles anders. Bernd erzählt, er habe Gitta die Wahrheit gesagt. Das Gespräch mit ihr dauerte sehr lange, über zwölf Stunden. Anschließend hat Gitta ihn verlassen. Das Vertrauen reicht nicht mehr" waren ihre Worte, während sie die Koffer packte. Kontakt haben sie keinen mehr. Einen neuen Job hat Bernd dafür gefunden. Er arbeitet ab Oktober wieder als Tischler. Er wird morgens durch die Tür gehen, um sechs Uhr in der Frühe. Stresemannstraße, Gerberstraße, die Thermoskanne unter dem Arm. 2500 Euro monatlich. Einen Haufen Schulden. Kein Kind. Eine Wohnung.

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Michaela Krüger


Michaela Krüger lebt und arbeitet in Köln. Sie ist 34 Jahre alt und hat während ihres Studiums der Journalistik in Dortmund ihre Liebe zur Zeitung entdeckt. Sie mag Geschichten hinter den Geschichten, Porträts von Menschen, die man nicht aller Tage trifft – und deshalb vielleicht so schnell nicht wieder vergisst. 1997 volontierte sie beim Kölner Stadt-Anzeiger, arbeitete in der Politik, der Kultur und schreibt aktuell Reportagen für das Magazin am Wochenende, für die Berliner Zeitung und die Frankfurter Rundschau. Und wenn sie von etwas träumt, dann von einer Korrespondentenstelle in Venedig. Denn an diese Stadt hat sie ihr Herz verloren.
Dokumente
Ziellos zähe Tage

erschienen in:
Kölner Stadt-Anzeiger,
am 11.09.2010

 

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