Nominiert für den Deutschen Reporterpreis 2010.
Das
Vorzeigearschloch
Aus
dem Rapper BUSHIDO ist ein erfolgreicher Geschäftsmann geworden. Nun
kommt sein Leben in die Kinos. Unterwegs mit Deutschlands neuem
Lieblingsaufsteiger.
Von Patrick Bauer,
Neon, 18.01.2010
An einem Dienstag im
Dezember ist ein bleicher Aushilfsfahrer aus Bremen das Opfer. In der
Welt des Anis Mohamed Ferchichi muss immer einer das Opfer sein.
„Opfer“ ist in dieser Welt ein Schimpfwort, genauso wie „Jude“.
Einem Opfer sagt man, dass man seine Mutter fickt. Ferchichi, bekannt
als Bushido, was im Japanischen „der Weg des Kriegers“ heißt,
ist ein Gewinner, weil er nie das Opfer war.
Der Fahrer sollte
Bushido, dessen Rapkollegen Kay One und einen Bodyguard zu einer
Filiale der Solariumskette Sunpoint bringen. Dann sollte er alle
rechtzeitig in der verrauchten Großraumdisko am Rande der Bahngleise
abliefern, in der Bushido am Abend auftreten würde. Der Fahrer
verfuhr sich.
Bushido konnte sich
nicht bräunen.
Deutschlands derzeit
erfolgreichster Musiker ruft nach seinem Tourmanager: „Tim, Alter,
komm her! Ey, du entlässt sofort diese Schwuchtel hier, ich schwöre
auf meine Mutter!“ „Knie nieder, du Opfer“, schreit Kay One dem
Fahrer ins Gesicht. Tim, der bisher jede Tour von Bushido organisiert
hat und seinen Schützling „Hasi“ nennt, ein lustiger Kerl mit
starken Nerven, sagt, ach komm, jetzt lass. Aber es gibt zwei
Floskeln, die Bushido immer verwendet, wenn es ihm ernst ist, „ganz
ehrlich“ und „dann hat er einen Fehler gemacht“.
„Ganz
ehrlich, Junge“, sagt er dem Fahrer, „du hast einen Fehler
gemacht. Du glaubst, das hier ist Show? Ich zeige dir gleich eine
Show: wenn ich dir vor der Tür den Kopf abreiße!“
Weil Anis Mohamed
Ferchichi weiß, dass er das nicht mehr nötig hat, zieht er sich
zurück. Er ist das Alphatier. Kay One folgt ihm und nimmt sich sein
Stück vom Kadaver: „Du Wichser!“ Der Fahrer guckt zu Boden.
Die zwei Herren vom
Verlag lächeln verlegen. Sie wollten Bushido die bestickten
Handtücher überreichen für die Show. Vorhin hatte er ihnen noch
gezeigt, wie man einen Totschläger hält und Überraschungseier mit
ihnen geteilt. Bushidos Biografie ist im Jahr 2008 sofort auf Platz
eins der „Spiegel“-Bestsellerliste geklettert, nur der riva
Verlag, für den die beiden Herren arbeiten und der sich sonst auf
Themen wie „Sport & Fitness“ oder „Gesundheit &
Ernährung“ spezialisiert hat, hatte sich getraut, sie zu
veröffentlichen. Es war ein unwahrscheinlicher Erfolg, ein
unheimlicher.
Was er jetzt tun
solle, fragt der bleiche Fahrer. Nimm dir eine Cola, flüstern die
Herren vom Verlag, der Bushido ist eigentlich ein Lieber.
Wenn man Bushido
einige Monate begleitet in einer Zeit, in der er mit 31 Jahren den
vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere erreicht hat, hört man immer
wieder diesen einen Satz, von Menschen, die mit ihm zu tun haben: Er
ist so überraschend freundlich! Moritz Bleibtreu sagt das. Die
Pressefrau bei der Filmfirma Constantin sagt das. Die Tischnachbarn
im Berliner Edelrestaurant Borchardt sagen das. Bushido geht lieber
in das Wasserpfeifencafé in der Katzbachstraße in Berlin-Kreuzberg,
in dessen Fensterfront schon mal ein Projektil einschlug und das
wegen der Männer, die dort verkehren, vom Landeskriminalamt
überwacht wird, aber er erzählt, dass er im Borchardt einen schönen
Abend hatte, als er Hannelore Elsner, seiner Filmmutter, von seiner
Kindheit erzählte und ihr ins Dekolleté weinte.
Natürlich ist
Bushido freundlich, man mag ihn sofort. Er trägt seine Tätowierungen
und seine Nike-Jogginghose wie ein Businessgewand, jeden Vorwurf, den
man ihm machen kann, nennt er in Gesprächen zuerst, er ist obszön
und intelligent zugleich, er strahlt eine naturgegebene Überlegenheit
und Eleganz aus, man lacht schnell, wenn er Witze macht. Nach der
Szene in Bremen ist die Frage, ob man nicht nur lacht, damit man
nicht selbst ausgelacht wird. So funktioniert das Opferprinzip: Nach
unten ist man brutal, nach oben freundlich.
Bushidos Leben kommt
jetzt in die Kinos. „Zeiten ändern dich“ heißt der Film, ein
Projekt von Deutschlands mächtigstem Produzenten, Bernd Eichinger,
Regie führte Uli Edel („Der Baader-Meinhof-Komplex“). Der Mann,
der sich als Außenseiter verkaufte, ist in der Mitte der
Gesellschaft angekommen. An der Spitze der Gesellschaft, würde
Eichinger sagen.
Bushido fährt über
Weihnachten mit dem Bernd nach Thailand in den Urlaub, zufällig
stellten die beiden fest, dass sie im gleichen Luxusresort gebucht
haben, auf einer kleinen Insel, sie werden dort „chillen“.
„Mit
Bernd Eichinger, wie krass!“
Dann amüsiert sich
Bushido darüber, dass Regisseur Uli Edel ihm aus Angst die DVD des
Films gegeben habe, als sie noch niemand mitnehmen durfte. Bushido
erzählt, er habe gesagt: Ey, Uli, gib mal DVD! Das nennt man in
Berlin-Tempelhof, wo er aufwuchs: jemanden abziehen. Es war ein Witz.
Edel jedoch habe ihm wortlos die DVD überreicht. Danach beruhigte
Bushido: Uli, was denkst du? Behalt die DVD!
Geil, sagen die
Jungs, die der Anekdote in der Garderobe einer Berliner Halle
lauschen. So ein Opfer!
Alter, sagt Bushido,
das ist ein heftiger Regisseur, man muss Respekt haben.
Es ist die Mischung
aus Straßenmentalität und Strebertum, die Bushido weit gebracht
hat. Bekifft ließ er sich zum Sprecher des Gymnasiums wählen, bevor
er die Schule schmiss. Er war immer schlauer, als sein Umfeld dachte.
Im Winter 2009 reist
Bushido zwei Wochen mit einem stickigen Bus und den Freunden aus
seinem alten Leben durch Deutschland und benutzt verschimmelte
Duschen in eiskalten Hallen, er sagt, das sei wie früher, als er
noch kein Multimillionär war. Er hat auf die „Carlo Cokxxx Nutten
Tour 2“ auch Fler mitgenommen, seinen Jugendfreund, mit dem
zusammen er einst beschloss, dass sie Rapper seien.
Fler wurde zuletzt
vorgeworfen, mit gezielter Deutschtümelei Platten zu verkaufen, aber
eigentlich traut man ihm so viel Kalkül gar nicht zu. Fler und
Bushido wurden zu Beginn der Nullerjahre vom Label Aggro Berlin
aufgebaut, Unterschichtshelden eroberten die Charts; Bushido war der
Deutsch-Tunesier mit dem Goldkettchen, Fler der dumpfe Germane, und
dann gab es noch Sido, den kaputten Ossi.
Deutscher
Gangsta-Rap war erfunden.
Bushido machte sich
bald darauf mit seinem eigenen Label „ersguterjunge“
selbstständig, er verstand, wie viel mehr er pro verkaufter Platte
so verdienen würde. Fler verstand das nicht. Sie mussten sich dann
zerstreiten, Rapper machen das so, jetzt erst kam es zur Versöhnung,
pünktlich zum Filmstart, sie umarmen sich auf der Bühne, wie sich
Männer umarmen, und die Bravo schreibt darüber, aber wenn nicht
gerade ein bleicher Fahrer in der Nähe ist, muss Fler meist das
Opfer sein. Bushido hat ihn abgehängt.
Über anderthalb
Millionen CDs hat er verkauft, Gold- und Platinstatus erreicht, er
handelt mittlerweile nicht nur mit präpubertärem Rap, auch mit
Immobilien, sein Imperium erwirtschaftet im Jahr einen zweistelligen
Millionenbetrag. Geld ist die geilste Droge, sagte Bushido mal. Er
verklagt rigoros Menschen, die seine Lieder illegal verbreiten, er
wehrt sich gelassen gegen musikalische Plagiatsvorwürfe, kaum einer
arbeitet so eng mit ihm wie Heiner, sein Anwalt, er hat immer gesagt,
dass er nur rappt, um reich zu werden.
Die Musik ist egal.
Es geht um mehr.
Bushido war in den
letzten Jahren das Vorzeigearschloch deutscher Medien. Ein böser
Rapper, der zuverlässig böse Schlagzeilen lieferte, die er wiederum
zur Mythenbildung nutzte. Nachdem er im österreichischen Linz
vierzehn Tage in Untersuchungshaft saß, weil er einen Mann
geschlagen hatte, weil der die Reifen seines 7er-BMWs zerstochen
hatte, reimte er: „Hier ist es so: Hier drinnen wirst du hart und
clever, hier tauschst du deine Bravo gegen ein Glas Nutella.“
Über andere
Textzeilen, wie „Mit der rechten werd ich wichsen, mit der linken
dich schlagen“, konnte sich die Öffentlichkeit regelmäßig
empören – gleichzeitig bestaunte sie Bushidos 200 000 Euro teuren
Brillantenarmreif. Die Schauspielerin Nora Tschirner lieh sich bei
Stefan Raab in der Sendung mal seinen Armreif. Sie wollte es affig
finden, aber starrte immerzu auf das glitzernde Statussymbol. Sie
warfen ihm vor, mit seinen Texten die Jugend zu verführen, aber sie
wurden längst selbst verführt. Einzig heute-Journal-Moderator Claus
Kleber schien zu begreifen, er rappte in einer Moderation mal
treffend: „Bushido lacht sich krank, auf seinem Weg zur Bank!“
Bei Johannes B.
Kerner haben sie jedes Mal Jugendschützer neben ihn gesetzt, Bushido
zog sich einen perfekt sitzenden Anzug an und sprach wie ein
Wanderprediger: „Wer bin ich im Gegensatz zu Gott, der uns
geschaffen hat, dass ich meinem Vater nicht verzeihen kann, wenn Gott
alle Sünden verzeiht, die wir je im Leben begangen haben?“ Und
hatte er zuvor angegeben, mit 600 Frauen geschlafen zu haben,
Prostituierte nicht mitgerechnet, so sagte er nun: „Erst jetzt
erkenne ich, wie rastlos ich war. Ich bin den Frauen hinterher
gerannt wie ein dummer Esel einer Mohrrübe. Es hat Spaß gemacht,
aber es hat mich nicht erfüllt.“
Es ist das wahre
Talent des Geschäftsmanns Anis Mohamed Ferchichi: Dass er wie kein
anderer versteht, welche Zielgruppe er wie anzusprechen hat. Bushido
sagt: „Ich will allen ein gutes Gefühl geben.“
Den Fans ist er ein
Idol, den Intellektuellen Sozialexperiment und den Kritikern
Feindbild. Er hat es allen richtig gegeben.
Vielleicht ist
Deutschland auch nur eine Schlampe.
„Ganz
ehrlich“, sagt Bushido manchmal, „ich habe Deutschland gefickt.“
Es ist wie mit den Mädchen, die vor dem Tourbus warten: Deutschland
würde alles mit ihm machen. Manche Frauen riefen ihn früher an,
während er mit einer anderen Sex hatte, und fragten, ob er zu ihnen
kommen könne, am selben Abend. Die „Analgranate“ aus dem
Prenzlauer Berg zum Beispiel. Und dann wunderten sie sich, dass er
nicht mit ihnen kuscheln wollte. Warum sollte er Respekt und
Zärtlichkeiten übrig haben für solche Frauen?
„Das
sind Nutten“, sagt Bushido.
Jetzt wollen alle
mit ihm kuscheln.
Die großen Verlage,
die sein Buch abgelehnt hatten und sich dafür per Mail
entschuldigen, die Boulevardzeitungen, die ihn den „Rüpel-Rapper“
nannten. Jetzt lassen sie ihn einen Geburtstagsgruß für Karel Gott
schreiben, mit dem er „Für immer jung“ aufnahm. Oder die
Konkurrenten, die ihm drohten, auf YouTube und in ihren Songs. Jetzt
könnte Sido mit seinen verkauften Platten nicht mal ein einziges
Bushido-Konzert finanzieren, sagt Bushido, er verdiene 80 000 Euro an
einem Abend. Er sagt: diese Schwanzlutscher!
Als Bushido 2007 den
Echo überreicht bekam, sprach er zu den Musikmanagern, in deren
siechendem Business er einer der letzten Verkaufsschlager ist: „Wenn
das eine Privatparty wäre, hättet ihr mich nicht eingeladen!“ Sie
hatten damals schon keine Wahl mehr. Er kommt mit den Jungs auf jede
Party, und wenn er Lust hat, mischt er sie auf, dann gibt es
„Nackenschellen“ für die B-Prominenz, die Jungs haben mal die
Ex-Freundin von Oliver Pocher verschleppt und im Rücken Klaus
Wowereits Schwulenwitze gerissen, es ist wie früher, als er den
Studenten auf WG-Partys Kräutertee als Gras verkaufte, was sollten
sie tun?
Die Zeiten haben
Bushido nicht verändert.
Die Zeiten haben
Deutschland verändert.
Von seinem Film
wurden bislang nur wenige Ausschnitte gezeigt. Zu sehen sind die
Schlüsselszenen, die den mustergültigen Aufstieg vom dealenden
Schulabbrecher zum Multimillionär illustrieren, man kennt sie aus
Bushidos Autobiografie, in der es sonst vor allem darum geht, wer wem
was gesagt hat und was wer dann zurückgesagt hat, und darum, wie
Bushido beim Autofahren masturbiert. Der kleine Bushido muss mit
ansehen, wie der Vater seine Mutter mit einem Telefonhörer schlägt.
Der 14-jährige Bushido wird unspektakulär entjungfert. Bushido
fragt seine Mutter, ob sie ihm 450 Mark leiht, damit er sich Drogen
kaufen kann, um die dann weiter zu verkaufen. Später schickt ihn ein
gnädiger Richter in das Ausbildungsheim Wannsee, wo er eine
Lackiererlehre beginnt und Fler kennen lernt, man hatte ihn mit 800
Gramm Marihuana und 50 Gramm Kokain im Rucksack an einer Busstation
festgenommen. Am Ende dann weint Bushido, nachdem er seinen schwer
kranken Vater, der einst die Familie im Stich ließ, erstmals wieder
getroffen hat, und er verunglückt fast mit seinem Mercedes, mit dem
er von Nürnberg nach Berlin in drei Stunden kommt, 280 Kilometer die
Stunde.
„Ey,
aber ich fahre nur frühmorgens so schnell“, sagt Bushido, „wenn
die Straßen frei sind.“ Er sagt dann auch, an einem Julitag im
vergangenen Jahr, die Dreharbeiten haben gerade begonnen, dass es ihm
endlich gut gehe. Er könne wieder schlafen, er hat mit einem
Psychiater über seine „Depressionen“ geredet, so nennt er es
jedenfalls, wenn ihn alles „anfickt“. Seine Mutter hatte
Brustkrebs. Es mache ihn glücklich und fertig zugleich, sagt
Bushido, deutsche Starschauspieler sein Leben darstellen zu sehen:
„Wie verrückt!“
Er kommt nicht aus
schlimmen Verhältnissen. Doch sie waren krass genug, um die
„Schwanzlutscher“ zu beeindrucken. Es ist eine Saga daraus
geworden: ein harter Kerl mit weichen Momenten. Es verspricht, ein
großer Film zu werden, nicht unbedingt ein guter. Es geht nicht um
Qualität, es geht um Quantität. Auch beim Tourauftakt in Berlin.
Ein Konzert von Bushido kann niemanden ernsthaft aufregen, nicht mal
die Leute vom Jugendamt, die kommen, um zu kontrollieren, ob ein
verbotenes Lied gespielt wird und ob pünktlich zur Bettzeit Schluss
ist. Mütter bringen ihre kleinen Söhne, 16-jährige Mädchen tragen
High Heels, die Jungs versuchen auszusehen wie Bushido. Wenn hier von
„Schwänzen“ die Rede ist, die gelutscht werden, von Schwestern,
die an „Arschhaaren“ aufgehängt werden, dann steckt dahinter
keine Wut, nicht mal mehr Provokation. Bushidos Pornorap ist wie
Schlager: Projektionsfläche für Träume, die nie in Erfüllung
gehen werden.
Roboterhaft werden
auch beim tausendsten Klischee die Hände gehoben. Bushido sagt
gerne, er sei kein Vorbild, er sei ein Spiegelbild. Er hat bei den
Dreharbeiten zu „Zeiten ändern dich“ im Sommer auf einer großen
Wiese in Berlin hunderte Halbstarke das Lied von der Biene Maja
singen lassen. Sie sehnen sich nach Harmonie in einer Welt aus
„Schwänzen“ und „Fotzen“. Bushidos Konzerte sind wie ein
Motivationsseminar: Sei krass und fleißig, dann wirst du was.
Seine Texte sind
zweifelsohne sexistisch, zuweilen homophob, meist geschmacklos,
selten einfallsreich. Er macht laute Rapmusik, die nicht viel kann,
das Gegenteil behauptet nicht mal er selbst. Er hat keine Lust mehr
auf Konzerte, spult seine Mutterfickenalleswegbombenshow ab. Er ist
sogar gelangweilt ein guter Entertainer, aber würde er mit der Tour
nicht eine Million machen, er säße in der Villa in Dahlem, bei
Mutter, Freundin, den zwei Hunden.
Bushido sagt, er
grille oft im Garten, den Nachbarn hat er gesagt, sie sollen sich
melden, wenn etwas stört, er hat seinem Halbbruder gesagt, dass er
Abitur machen soll. Einen perfekten Tag beschreibt Bushido so:
morgens Sex, dann zum Friseur, dann schön ins Solarium. Wenn er nach
Hause kommt, zockt er zwei Stunden »World of Warcraft«.
Mitte November sitzt
Bushido in seiner Suite in einem Münchner Nobelhotel. Der Bernd
übernimmt die Rechnung. Bushido rechnet vor, wie viele Nutten und
wie viel Koks er bestellen könnte. Dann trinkt er aus der Minibar
einen Eistee und schaut eine Folge „Dexter“. Er ist aufgeregt,
weil er zurück in Berlin auf seinen Schwiegervater treffen wird.
Eigentlich lebt Anis
Mohamed Ferchichi bloß einen ganz bürgerlichen Traum.
Es kann genauso
passieren, dass Bushido im Elektromarkt beim „DVD-Holen“
plötzlich knurrt, er müsse heute Nacht auf jeden Fall „ballern“.
Nach dem Berliner Konzert stehen zwei nervös kichernde Mädchen im
Cateringbereich und rauchen viele Zigaretten. Das kann eine lange
Nacht werden, sagen sie. Bushido schiebt sie zu der Gruppe arabischer
Männer und Fastmänner, Brüder aus der Gegend, er muss aufpassen,
wen er einlädt und wen nicht, viel Spaß, Habibi, sagt er. In seinem
Wertesystem sind alle Frauen Schlampen außer Mama, und weil alle
Frauen Schlampen sind, kann er sie nicht heiraten, außerdem wurde er
von Selina verlassen, der großen Liebe, deswegen rächt er sich.
Bei Auftritten
ignoriert Bushido die Mädchen. Er feiert nur die Jungs, die ihren
blondierten Begleiterinnen triumphierend in den Po kneifen, und wie
gewohnt lobt er die Jungs im Publikum für ihre muskulösen Oberarme,
„ihr seid so hübsch!“ Es entsteht fast so etwas wie Homoerotik.
So ist diese Welt:
Männer sehen gut aus und reden über Autos, die verschachert werden,
und ficken und verachten die Schlampen. Meist steht auch Arafat
Abou-Chaker in den Autoschacherrunden, von ihm heißt es, er
kontrolliere in den einschlägigen Bezirken alle möglichen
einschlägigen Geschäfte, seine Familie gilt in Berlin als Clan. Er
hat Bushido aus dem Vertrag mit Aggro Berlin geholt. Bushido steht in
seiner Schuld. Manche sprechen von Schutzgeld, Bushido spricht von
Ehre. Abou-Chaker zeigt sich ungern in der Öffentlichkeit. Jetzt,
sagt er, spielt mich Moritz Bleibtreu! Eine besondere Form der
Resozialisierung.
Es sind zwei Welten,
die sich gefunden haben, und beide profitieren davon.
Oft haben sie
Bushido gefragt, ob er nicht etwas für die Integration tun möchte.
Dabei hat er mehr für die Integration getan als jeder andere. Er hat
seine Welt nie verlassen und ist doch angekommen. Bushido ist der
Dieter Bohlen der Problembezirke. Er propagiert erfolgreich einen
neuen Sozialdarwinismus. Damit ähnelt er anderen Rudelführern.
Bernd Eichinger
sitzt in seinem Büro im hellen Glaspalast der Constantin Film in
München-Schwabing, die vielen goldenen Preise auf dem Sideboard
stolz aufgereiht. Eichinger, sechzig Jahre alt, ist ein Mann, der es
sich leisten kann, auf die Meinungen anderer keinen Wert mehr zu
legen. Er freut sich schon darauf, dass die „Süddeutsche Zeitung“
„Zeiten ändern dich“ nicht mögen wird. „Der Untergang“ oder
„Das Parfum“ konnten sie auch nicht leiden, zehn Millionen sahen
allein diese beiden Filme. Sollen sie's hassen, des is mir so
wurscht, Eichinger lacht.
Es ist seine Art,
„Ich ficke deine Mutter“ zu sagen.
Wissen Sie, erzählt
er dann, wir haben früher Rock'n'Roll gemacht und wir waren auch
Sexisten. Den Bushido hält Bernd Eichinger für einen super Typen,
authentisch! Und man glaubt es ihm. Auch in seiner Welt gewinnt am
Ende die dickste Hose. Es ist eine Welt, die man zum Abschluss des
Geschäftsjahres am besten von einer Yacht im Golf von Thailand aus
betrachtet.
Es ist eine schöne
Welt, solange man nicht das Opfer ist.
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