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Prämierte Texte

Michael Obert „Der Bürgermeister der Hölle

Dieser Text wurde mit dem Deutschen Reporterpreis 2012 in der Kategorie "Bester freier Reporter" ausgezeichnet. Er ist im "SZ-Magazin" und im Schweizer "Das Magazin" erschienen und wurde von beiden Redaktionen je zur Hälfte finanziert.


Gewehrkugeln haben die Mauern zerfressen, Granaten die Fassade aufgerissen. Das Dach: weggebombt. Vor den höhlenartigen Öffnungen der dreistöckigen Ruine im Zentrum von Mogadischu gehen Soldaten mit Schnellfeuergewehren in Stellung. Sie sollen den Mann schützen, der an diesem Morgen Ende Februar im dunklen afrikanischen Anzug zwischen Granattrichtern im Hof steht und lächelt. Das ehemalige Regierungsgebäude werde wieder aufgebaut, sagt er, in den neuen Büros würden Mitarbeiter der Stadt bald wieder ihren Dienst verrichten.

Dann fallen Schüsse. Haben sich Attentäter in der Ruine versteckt? Aufständische Islamisten? Die Soldaten reißen ihre Waffen von der Schulter, bilden einen schützenden Kreis um den Mann und drängen ihn in einen schwarzen Geländewagen. Zur Verstärkung rasen Pick-ups mit aufgebockten Maschinengewehren heran, auf den Ladeflächen hantieren Soldaten in Kampfanzügen mit Kalaschnikows, Panzerfäusten, Granatwerfern. Reifen drehen durch. Steine fliegen durch die Luft. Und der Konvoi jagt in einer Staubwolke davon.

„Der Tod kommt, wenn er kommt", sagt Mohamoud Ahmed Nur wenig später und lässt sich in den Lederstuhl in seinem Büro fallen. „Wenn du Angst hast, kannst du in Mogadischu nichts bewegen, mit Angst kannst du diese Gesellschaft nicht verändern." Bis vor Kurzem führte der 57-Jährige mit dem grauen Kinnbart und den strahlendweißen Zähnen ein Internetcafé in der Seven Sisters Road im Norden Londons. Jetzt führt er eine der gefährlichsten Städte der Welt. Als Bürgermeister von Mogadischu, der Hauptstadt Somalias.

Nach über 20 Jahren Bürgerkrieg und Häuserkampf sieht das „Stalingrad Afrikas“ aus wie eine gewaltige archäologische Grabungsstätte. Zweieinhalb Millionen Menschen fristen ein Dasein in Ruinen. Ohne Strom, ohne sauberes Trinkwasser, ohne Müllabfuhr und ausreichende medizinische Versorgung. In einer Stadt, in der man beim Gemüsehändler um die Ecke für ein paar hundert Dollar eine Panzerfaust kaufen kann und ausgefranste schwarze Flecken die letzten Bombenanschläge markieren. Alle paar Minuten krachen Schüsse.

Als Bürgermeister gehört Nur zu einer Übergangsregierung, die zwar international anerkannt ist, aber nicht einmal 20 Prozent des Landes kontrolliert. Und das nur mit Hilfe der afrikanischen Friedensmission Amisom. 12 000 bis an die Zähne bewaffnete Soldaten aus Uganda und Burundi liefern sich blutige Gefechte mit al-Schabab, einer islamistischen Miliz, die sich kürzlich offiziell mit dem Terrornetzwerk al-Qaida verbündete und weite Teile Somalias kontrolliert.

Wer etwas dagegen hat, dass al-Schabab Bomben unter Marktstände legt, Kinos in die Luft jagt, Frauen steinigt und Dieben, Musikern oder Fußballern die rechte Hand und den linken Fuß absägt, landet auf der Abschussliste ihrer Killerkommandos. Ganz oben: Bürgermeister Nur. Mit zwei Dutzend Bodyguards, einem Monatsetat von 150 000 Dollar, ein paar Computern und drei Olivetti-Schreibmaschinen will er Mogadischu, das Höllenloch am Horn von Afrika, retten. Oder sterben.

Als ihm der somalische Präsident, ein alter Weggefährte aus Jugendzeiten, vor anderthalb Jahren den Job anbot, versammelte Nur seine Frau, sechs Kinder und acht Enkelkinder in der kleinen Mietwohnung in London, wohin er 1993 vor dem Krieg in Somalia geflohen war. Er erklärte ihnen, dass er von seiner Mission womöglich nicht zurückkehren werde: „Vielleicht hört ihr in den Nachrichten bald, dass der Bürgermeister von Mogadischu erschossen wurde."

Seine Frau wollte ihn nicht gehen lassen. Seine Freunde hielten ihn für verrückt. Trotzdem sitzt Nur jetzt an diesem wurmstichigen Schreibtisch und arbeitet sich durch Stapel schriftlicher Hilferufe seiner Bürger. Nicht weit vom Flughafen, wo im Oktober 1977 Sturmtrupps der deutschen Spezialeinheit GSG9 die Geiseln an Bord der Lufthansa-Maschine Landshut aus der Gewalt palästinensischer Terroristen befreiten. Draußen vor dem Bürgermeisteramt, hinter Wällen aus Sandsäcken und Stacheldraht, satteln die Bodyguards ihr Waffenarsenal von den Pick-ups ab. Am Hauseingang ist ein Maschinengewehr aufgebaut. Vor der Bürotür wacht ein Soldat in Gefechtsuniform mit einer Kalaschnikow. Auf Besucher in schusssicheren Westen reagiert der Bürgermeister dennoch allergisch. „Mogadischu ist sicher", sagt er. „Sicherer als Bagdad oder Kabul." Mogadischu bekomme zu Unrecht schlechte Presse.

Seit Rebellen 1991 den Diktator Siad Barre stürzten, gibt es im ostafrikanischen Somalia keine funktionierende Zentralregierung mehr. Nach dem Sieg der Warlords über den verhassten General zerfielen die vier großen Clans in Dutzende von Subclans. Ihre Milizen zerfleischten sich gegenseitig, trieben das Land immer tiefer ins Chaos und verwandelten Mogadischu, bis dahin eine wohlhabende Handelsstadt am Indischen Ozean, in eine Geröllwüste. Bis zu eine Million Tote hat dieser Krieg bisher gefordert. Meist Frauen, Kinder und Greise, die nicht schnell genug aus der Schusslinie kamen. Fast zweieinhalb Millionen Somalier wurden aus ihren Häusern vertrieben, beinahe ein Drittel der gesamten Bevölkerung. Eine Million Menschen flohen ins Ausland.

Die Republik Somalia ist an diesem Konflikt zerbrochen. Im Norden haben sich Somaliland und die Piratenhochburg Puntland abgespalten. Südlich davon riefen sich Phantasiestaaten aus: Himan&Heeb, Galmudug und Ahlu Sunna wal Jamaa – „Anhänger der Tradition und der Gemeinschaft“ –, kurz ASWJ. Den Rest des Landes, geschätzte 60 Prozent, kontrolliert al-Schabab. Die Schockwellen des somalischen Bebens erschüttern weite Teile des afrikanischen Kontinents. Vom US-Stützpunkt in Djibuti starten Drohnen und geheime Sonderkommandos nach Somalia, im Westen kämpfen Truppen aus Äthiopien gegen al-Schabab, im Süden rücken kenianische Streitkräfte vor. Auch der Rest der Welt fühlt sich von Somalia bedroht. Das Land gilt heute als Brutstätte des islamistischen Terrorismus, ein Chaos-Staat, in dem weltweit gesuchte Topterroristen abtauchen und international operierende Netzwerke ungestört ihre nächsten Anschläge vorbereiten können. Die von Somalia ausgehende Gefahr für die Sicherheit westlicher Staaten, warnen Experten, nehme in jüngster Zeit besorgniserregend zu.

Es ist das konfuse Gemisch aus verfeindeten Clans und islamistischem Terror, das bisher jede Diplomatie und jede Intervention der Vereinten Nationen kläglich scheitern ließ. Der letzte Rettungsversuch des Westens endete 1993 für Amerika im größten Fiasko seit Vietnam. Zwei US-Kampfhubschrauber wurden über dem Zentrum von Mogadischu abgeschossen, die Körper amerikanischer Soldaten vom Mob durch die Straßen geschleift. Der missglückte Einsatz, im Hollywood-Kriegsdrama Black Hawk Down verfilmt, führte zum Abzug der amerikanischen Truppen aus Somalia. Seither hat die Welt Mogadischu aufgegeben.

Nicht so Bürgermeister Nur. In den ersten Monaten seiner Amtszeit feuerte er reihenweise korrupte Angestellte, ließ Müll einsammeln, die Kanalisation zumindest notdürftig reinigen und wild wuchernde Bäume in Kriegsruinen zu Brennholz verarbeiten. Einen Steinwurf von der Frontlinie zwischen Amisom und al-Schabab ließ er zwei öffentliche Gärten anlegen und eine Reihe von Laternen installieren, um die erste Straße im zerbombten Zentrum zu beleuchten.

„Waren Sie schon mal in einem afrikanischen Gefängnis, in einer dieser finsteren Betonzellen?“, fragt Nur auf dem Sprung zum nächsten Termin; vor seiner Flucht nach England saß er in Mogadischu als Oppositioneller selbst hinter Gittern. Am Anfang kämpfe man noch um seine Würde und klammere sich an die Hoffnung, die Tür könnte sich bald öffnen. Dann werde man allmählich müde, sinke zu Boden und schlafe irgendwann in seinen Exkrementen – und am Ende hoffe man auf gar nichts mehr.

„Genau so ist es den Menschen hier ergangen“, sagt Nur und eilt über den Amtsflur zu seinem Dienstwagen. „Nach 20 Jahren Gefangenschaft in ihrer Stadt haben sie ein Leben ohne Freude akzeptiert, ein Leben mit der Waffe an der Schläfe, hungrig, schmutzig, bettelarm, ein Leben in Finsternis.“ Deshalb müsse er zunächst „die Mentalität der Menschen ändern, ihre Art zu denken und zu empfinden“.

Wie soll das gelingen? In einer kollektiv traumatisierten Stadt? Wo keine zehn Minuten ohne Schüsse vergehen und die Scheiben nachts im Artilleriefeuer zittern? Wo Mütter vom Kriegsterror übergeschnappte Kinder an die Betten ketten, damit sie nicht im Ruinenlabyrinth verloren gehen? Jedes fünfte Kind stirbt hier an verseuchtem Trinkwasser. Öffentliche Schulen gibt es keine, Arbeit auch nicht. Und hinter jedem Mauerrest, in jedem noch so zerschossenen Betongerippe hausen Flüchtlinge in Hütten aus Akaziengeäst und Plastikfetzen – gefangen zwischen Krieg und Hunger.

Wie um alles in der Welt will der Bürgermeister die „Mentalität“ dieser Menschen ändern? „Bei einer Transfusion pumpt man das Blut nicht mit Gewalt in die Venen des Patienten“, sagt er; an den geschwärzten Scheiben seines Geländewagens zieht die Ruinenstadt vorbei. „Er bekommt es Tropfen für Tropfen.“

Deshalb joggt Mohamoud Ahmed Nur seit anderthalb Jahren nicht mehr durch den Park am Londoner Parliament Hill und sieht sich nach Feierabend nicht mehr die Spiele von Arsenal im Fernsehen an, sondern ist von früh bis spät unterwegs in den Trümmern seiner Stadt, schüttelt unermüdlich Hände, schlichtet Clan-Streitigkeiten, berät Geschäftsleute, sammelt Geld, findet aufmunternde Worte für Kriegsversehrte und -waisen.

„Ihr seid die Zukunft Somalias“, sagt er den Straßenkindern in einem von ihm initiierten Projekt. „Aus jedem von euch kann ein Handwerker werden, ein Lehrer, sogar ein Minister.“ In einem Backsteinbau sitzen sie auf wackligen Stühlen im Kreis. Ihre Kleider sind zerrissen, ihre Körper abgemagert. Sie ernähren sich von Abfällen und kämpfen in Kriegsruinen mit verwilderten Hunden um ihre Schlafplätze. Nachts kommen die Häscher von al-Schabab und sammeln sie mit vorgehaltener Waffe ein, um sie als Kindersoldaten zu verheizen.

Und der Bürgermeister sagt ihnen: „Haltet euren Körper sauber. Wascht euer Hemd.“ Das wirkt alles ziemlich abgehoben und naiv. Wie wäre es stattdessen mit einem Dach über dem Kopf, Herr Bürgermeister? Mit einer regelmäßigen Mahlzeit? Er würde gern mehr tun, sagt Nur, doch die Stadtkasse sei leer. Und so vertraut er auf die Kraft seiner Worte. Tatsächlich dürsten die Menschen danach. Jahrzehntelang hat man auf sie geschossen, jetzt reicht ihnen einer die Hand, spricht zu ihnen, macht ihnen Mut.

„Tropfen für Tropfen“, wiederholt der Bürgermeister und streicht einem zerzausten Straßenjungen über die Stirn; er strahlt und geht mit erhobener Brust aus dem Raum. „In ein paar Jahren wird wieder genügend frisches Blut in den Köpfen und Herzen der Menschen sein, dann werden sie sich besser fühlen.“

Die meisten Bürger von Mogadischu hegen ein tiefes Misstrauen gegen jeden, der der Übergangsregierung nahe steht. Ihren Mitgliedern werfen sie vor, sich die Taschen zu füllen und Somalia, laut Transparency International 2011 das korrupteste Land der Welt, den Milizen und Piraten zu überlassen. Nur der Bürgermeister, da sind sich alle einig, ist über jeden Zweifel erhaben. „Ein Mann von Prinzipien“, sagt Iman Icar; der Stellvertreter des Stadtoberhaupts war in Holland 16 Jahre lang als Sozialarbeiter tätig. „Er ist mit Leib und Seele loyal zu seinem Land, er hat eine Vision und setzt sie um.“

„Wenn er etwas will, dann beißt er sich rein“, sagt Shamis, die Frau des Bürgermeisters, während sie in ihrem einfachen Haus das Essen auf den Tisch stellt. Jahrelang sah sie ihrem Mann zu, wie er in ihrer Londoner Wohnung bis spät in die Nacht vor dem Fernseher saß und mit den Tränen kämpfte, wenn er all die Toten und Verstümmelten in Mogadischu sah, die Ruinen seiner Stadt. Als er Bürgermeister wurde, verlor sie 20 Kilo. Wenn das Telefon klingelte, dachte sie: „Jetzt haben sie ihn erschossen.“

Nach seinem Amtsantritt besuchte sie ihn. „Aber ich konnte nicht schlafen“, sagt die kleine Frau mit den lebendigen Augen und der modischen Brille. „Wegen der Schüsse und der Bomben.“ Doch in London fiel ihr die Decke auf den Kopf; ihre sechs Kinder sind erwachsen und längst aus dem Haus. Schließlich überwand sie sich und kehrte nach 31 Jahren Exil nach Mogadischu zurück, an die Seite ihres Mannes. „Home is where your heart is“, sagt sie, lacht, wird aber gleich wieder ernst. „Ich wollte einfach nicht, dass er ohne mich stirbt.“

Ortstermin im Zentrum von Mogadischu. Gut 300 Mädchen und Jungen erwarten den Bürgermeister in der „Schule des 21. Oktober“. Seit Jahren findet hier kein Unterricht mehr statt. Alle staatlichen Schulen sind geschlossen. Die Gebühren für Privatschulen – 15 Dollar im Monat – kann sich kaum eine Familie leisten. 95 Prozent der Kinder sind ohne Unterricht.

Der Bürgermeister geht durch ausgebombte Klassenzimmer, steigt über den Schutt eingestürzter Dächer. Überall Exkremente und Müll. Nervös streifen die Blicke der Leibwächter durch die dunklen Gänge, ideale Verstecke für Attentäter. Die Nähe, die Nur täglich zu den Menschen sucht, macht ihn besonders verwundbar. „Diese Schule gehört nun wieder uns“, sagt er ins Mikrofon; der tragbare Lautsprecher verwandelt seine Stimme in ein Krächzen. „Bald können unsere Kinder hier wieder Lesen und Schreiben lernen.“

Hinter der Schulhofmauer hatten Flüchtlinge ein improvisiertes Camp errichtet. Geschätzte 50 000 Menschen suchten bis vor Kurzem Zuflucht in meist zerstörten Regierungsgebäuden, bis diese von der somalischen Armee und Polizei geräumt wurden. „Ein echter Fortschritt“, sagt der Bürgermeister; weiter unten auf der Straße krachen Schüsse.

Wohin all die Menschen nach der Räumung gezogen sind, weiß er nicht. Alternativen wurden ihnen keine angeboten. Es hagelt Kritik von Hilfsorganisationen. „Mogadischu ist nicht London", sagt die Leiterin einer somalischen NGO in einem der Flüchtlingslager, die von Neuankömmlingen aus geräumten Gebäuden überrannt werden. „Der Bürgermeister ist ein Träumer, er war zu lange im Exil, er hat keine Ahnung, wie es hier an der Basis aussieht.“ Die Kinder auf dem Schulhof und ihre Eltern sehen das anders. Sie freuen sich über die Aussicht auf baldigen Unterricht.

Die Prioritäten des Bürgermeisters sind klar: Schulen, Krankenhäuser, Strom, sauberes Trinkwasser, Kanalisation, Müllentsorgung. Doch mit einem Monatsetat von 150 000 Dollar – gespeist aus 15 Prozent der Hafeneinnahmen Mogadischus – sind Nurs Optionen in der kriegszerstörten Millionenstadt begrenzt. Hilfe aus dem Ausland? „Wir brauchen Backsteine, Zement, Sand und Werkzeug, damit wir unsere Häuser selbst wieder aufbauen können.” Demonstrativ krempelt er die Ärmel hoch, springt auf den Rücksitz des Geländewagens und jagt zum nächsten Termin.

Menschen mobilisieren. Ohne Kalaschnikows. Tatendrang und Optimismus des Bürgermeisters wirken ansteckend. „Endlich unternimmt mal einer was“, freut sich der 24-jährige Farah, der in einer von Nurs Initiativen Müll in den Straßen einsammelt. „Der Bürgermeister nimmt uns ernst, der Bürgermeister macht uns Mut.“

„Er zeigt uns, dass wir selbst etwas verändern können“, sagt Aisha von den Mogadishu City Volunteers, Hunderte Freiwillige, die ihrer Stadt ohne Bezahlung wieder auf die Beine helfen wollen. „Der Bürgermeister ist unser Held.“ Aisha hat Nurs Gesicht auf ihr T-Shirt gemalt, er lächelt, in einer Sprechblase über seinem Kopf steht auf Somali: „Du kannst es! Leg los!“

Für die einen ist er so etwas wie der Obama von Mogadischu, in den sie all ihre Hoffnungen setzen und den sie verehren wie einen Popstar – die anderen wollen ihm an den Kragen. Aus den unterirdischen Verliesen eines Geheimgefängnisses wird an diesem Morgen ein barfüssiger Mann zum Verhör geführt. Tags zuvor wurde Idriz Sheikh Abdifatah, 23, ein Radiohändler aus dem Umland, von der somalischen Polizei gefasst. Mit einem Auto voller TNT und einer Sprengstoffweste um die Brust.

Er gehöre zu al-Schabab, sagt er mit fester Stimme. Mit seinem ordentlichen kurzen Haar, seinem blauen Hemd und den hochgekrempelten Jeans sieht Idriz so gar nicht wie ein Selbstmordattentäter aus. Wo er die Bombe zünden wollte, sagt er nicht. Aber was den Bürgermeister betrifft, ist er ganz klar: „Erschießen! Enthaupten! Allah kann diesem Verräter nicht vergeben.“

Hat Idriz nicht auch Kinder? Für einen Moment wirkt er verunsichert. Doch er fängt sich gleich wieder und sagt: „Eine Tochter. Aisha. Sie ist einen Monat alt." Und er, ihr Vater, will sich in die Luft sprengen? Auf einmal geht ein Strahlen über sein Gesicht. „Bald zünden wir unsere Bomben auch in Amerika und Europa.“ Ganz oben auf der Liste stehe England. „Ich sprenge mich in London in die Luft und gehe direkt ins Paradies. Aisha wird glücklich und stolz auf ihren Vater sein.“

Zuhause in Mogadischu ist für al-Schabab der Bürgermeister der meistgehasste Mann. 100 000 Dollar, behaupten Insider, sind auf seinen Kopf ausgesetzt. Warum, fragt man sich, ist er nicht längst tot? Gegen einen Scharfschützen sind die besten Bodyguards machtlos. Und die Übergangsregierung kann nicht einmal ihre Minister vor Anschlägen schützen. Verfügt Nur über einen besonderen Instinkt? Genießt er insgeheim Sympathien auch unter den Islamisten? Oder hat er bisher einfach nur jede Menge Glück gehabt? Der Bürgermeister lebe noch, heißt es in den Straßen von Mogadischu, weil viele Menschen für ihn beten.

Sein rotes Handy klingelt. Eine Nachricht leuchtet auf dem Display auf: „Wir sehen dich, du stehst vor deinem Haus, du trägst ein Kakihemd und eine Sonnenbrille und sprichst mit einem weißen Journalisten – in zwei Minuten bist du tot.“ Heckenschützen auf dem Nachbardach? Bombe im Geländewagen? Sprengstoffgürtel um den Bauch der verschleierten Frau, die eben um die Ecke kommt? Am Ende bleibt es bei einer weiteren Drohung.

Der Bürgermeister beantwortet sie im somalischen Fernsehen. „Verkleidet euch nicht als Frauen, versteckt eure Waffen nicht unter ihren Gewändern“, sagt er, den Blick direkt in die Kamera gerichtet. Die Mörder sollen ihm gegenübertreten, ihm ins Gesicht sehen. „Und dann bringt mich um, wenn ihr könnt!“

1954 im De Martino Hospital in Mogadischu geboren, verbringt Mohamoud Ahmed Nur die ersten Jahre seines Lebens als Nomadenjunge im Landesinneren, nahe der äthiopischen Grenze. Sein Vater besitzt 300 Ziegen und zehn Kamele. Er stirbt, als Ahmed fünf Jahre alt ist. Die Mutter gibt den Jungen zu einer Tante nach Mogadischu, aber die kann sich auch nicht um ihn kümmern, und so landet der kleine Ahmed für die nächsten 12 Jahre im Waisenhaus.

Basketball hält ihn am Leben. „Ich war nicht groß, aber sehr schnell.“ 1972 wird sein Team somalischer Meister und Nur, der im Angriff spielt und die Nummer 7 trägt, berühmt in ganz Somalia. Mit seiner knappen Gage finanziert er sich die Highschool. Mittlerweile hat das Militär unter General Siad Barre die Macht übernommen. Somalia wird ein sozialistisches Land. „Von Anfang an hasste ich die Idee, dass der Staat die Verantwortung für dein Leben übernimmt“, sagt Nur heute. „Ich wollte meine Ziele aus eigener Kraft erreichen, ich wollte nicht, dass die Regierung mich füttert wie einen Hund.“

Er galt als reaktionär, ging als „Amerikafreund“ ins Gefängnis. Bevor er sein Geologiestudium beenden konnte, setzte er sich 1977 nach Saudi Arabien ab. „In meiner Basketballtasche waren zwei Hosen und drei Hemden“, erinnert er sich. „Ich ließ mein ganzes Leben in Mogadischu zurück.“

1993 kommt er, mittlerweile mit Shamis verheiratet und Vater von sechs Kindern, nach London. Die Zeiten sind nicht rosig. Shamis rät ihm, Stütze beim Sozialamt zu beantragen. Er weigert sich: „Ich wollte kein Parasit der Gesellschaft sein, ich hätte mich vor mir selbst geekelt.“ Stattdessen schließt er an der University of Westminster in Business Management ab und gründet die Somali Speakers Association, welche die Diaspora in London noch heute in sozialen Fragen berät. Um über die Runden zu kommen, macht Nur das Internetcafé in der Seven Sisters Road auf, nicht weit vom Finsbury Park. Hinten Telefonkabinen, vorne Computer. An der Wand ein Hinweisschild: No Pornography!

Am Morgen nach der Kampfansage an die Islamisten im Fernsehen lässt Nur seinen Fahrer an einem menschenleeren Kreisverkehr im Zentrum von Mogadischu anhalten. Aus Kriegsschutt ragt das Gerippe eines Turms wie ein knochiger Zeigefinger. Die Ruine des alten Parlaments. Symbol einer Totenstadt, einer gründlich gescheiterten Nation.

Noch bis vor kurzem kämpften hier Einheiten von Amisom und Soldaten der Übergangsregierung gegen al-Schabab. Straße um Straße. Haus um Haus. Mann gegen Mann. Jahrelang kontrollierten die Islamisten – bis auf eine winzige Regierungsenklave – ganz Mogadischu. Dann verloren sie einige Viertel und traten im August einen „taktischen Rückzug" an den Stadtrand an. Seither operieren sie aus dem Untergrund. Mit Heckenschützen und Bombenterror im Stil von Al-Qaida.

Am Kreisverkehr springen die Bodyguards des Bürgermeisters von den Pick-ups und schwärmen mit ihren Kalaschnikows aus. Und Nur arbeitet sich durch das Geröll der Parlamentsruine, als führte dort ein Weg zurück in die Stadt seiner Jugend, die „Perle Ostafrikas" mit einer prachtvollen Seepromenade und Traumstränden am Indischen Ozean, mit großzügig angelegten Straßen, Plätzen und Gärten und weiß getünchten Bauten aus der italienischen Kolonialzeit.

„Mogadischu war damals absolut friedlich und sicher, eine Crime-Zero-City", sagt Nur und reibt sich den Schweiß von der Stirn. „Freitags gingen wir an den Strand zum Schwimmen und abends ins Kino." Nebenan in der Casa d´Italia trainierte er Basketball. „Dort war die Sporthalle, dort der Tennisplatz, der Nachtclub, die Bar, gleich dort drüben dann die Universität, dort die Somali Bank und dort hinten Somali Airlines." Trümmerhaufen. Zerschossene Art déco-Säulen. Aufgeplatzte Sandsäcke auf orientalischen Balkonen. An einer vom Kugelhagel durchsiebten Wand im Erdgeschoss steht: „Helft mir! Ich bin ein Kind!“ Daneben eine unbeholfene Zeichnung: Männer richten Gewehre aufeinander. Wie aufgereihte Perlen hängen die Kugeln in der Luft. Am Boden liegen Menschen in monströs verschmiertem schwarzem Blut.

„Mogadischu war damals wunderschön“, sagt der Bürgermeister plötzlich leise und gerät auf dem Geröllbrocken aus dem Gleichgewicht. Es ist, als kämpften in ihm zwei Zeiten gegeneinander an, als zerrten ihn das Damals und das Heute in verschiedene Richtungen. Tränen stehen in seinen Augen. Dann fängt er sich wieder, ballt die Fäuste und sagt mit fester Stimme: „Das ist die Stadt, die ich wieder aufbauen werde.”

Nach dem Rückzug von al-Schabab ist dies nicht mehr nur reine Utopie. Noch immer explodieren Autobomben, krachen Schüsse, sprengen sich Selbstmordattentäter in die Luft, doch in Mogadischu gibt es erste Anzeichen einer Art von Normalität. In leergefegte Todesstreifen kehrt allmählich Leben zurück. Nicht zuletzt dank des unermüdlichen Wirkens von Bürgermeister Nur wagen sich viele wieder auf die Straße, räumen Schutt aus Höfen, bauen Häuser auf, eröffnen kleine Geschäfte.

Ein Junge mit einer eiternden Narbe über dem Auge gießt am Straßenrand ein Bäumchen. „Selbst gepflanzt“, sagt er, während das Wasser aus dem Loch einer Plastiktüte rinnt und von der durstigen Erde Mogadischus aufgesogen wird. „Mein Baum. Auf den passe ich auf. Wenn er groß ist, schlafe ich in seinem Schatten.“

Hoffnung. Auf eine friedliche Zukunft. Doch die Frontlinie liegt nur ein paar Kilometer die Hauptstraße hinunter. Am letzten Checkpoint namens X-Control trocknen Blutlachen auf dem Asphalt. Soldaten legen hier oft die Leichen getöteter Schabab-Kämpfer aus, damit jeder sieht, was Aufständische zu erwarten haben. Endlos ist die Karawane der Flüchtlinge aus den von al-Schabab kontrollierten Gebieten, auf die Amisom und Regierungstruppen vorrücken, um die Islamisten weiter zurückzudrängen.

„Wir fliehen vor den Raketen der Armee“, sagt Hawa Ibrahim, eine junge Frau mit violettem Gesichtsschleier in einem völlig überladenen Minibus. Al-Schabab versteckt sich oft in Wohngebieten, um Frauen und Kinder als lebenden Schutzschild zu missbrauchen. Wenn die Armee dann angreift und durch ihre Raketen Zivilisten sterben, schürt das auch die Wut auf den Bürgermeister. Hawa: „Allah wird ihn bestrafen.“ Ob er will oder nicht: Er gehört zur Übergangsregierung und ist damit automatisch Partei.

An der Frontlinie in der Nähe des ehemaligen Tiermarktes – heute ein geisterhafter, lebensgefährlicher Ort – ducken sich Soldaten in ihren Lumpenuniformen hinter Sandsäcken. Sie tragen verspiegelte Sonnenbrillen und Munitionsreihen quer über der Brust. Ihre Kalaschnikows und Raketenwerfer zeigen auf eine leere Straße zwischen ausgebrannten, von den Kämpfen der vergangenen Tage zerschossenen Häusern.

„Auf den Dächern dort: Scharfschützen“, flüstert Ahmed Ali, der Kommandant dieses Frontabschnitts, und zündet sich eine Zigarette an. „Ein falscher Schritt, und du bist tot.“ Al-Schabab ist noch lange nicht besiegt, der Krieg nicht vorbei. Er lauert an den Rändern Mogadischus auf seine Chance, in die Stadt zurückzukehren.

Der Kommandant nimmt einen langen Zug von seiner Zigarette. 65 Jahre ist er alt und mehr als sein halbes Leben bei der Armee. Der Bürgermeister? „Sehr guter Mann, ein echter Patriot", sagt er, reißt die Hacken zusammen und salutiert. „Kam aus London zurück, um Mogadischu zu flicken.“

Dass der Stadtvater, wie der alte Offizier behauptet, mit einer Pistole unter dem Kopfkissen und einer Kalaschnikow neben dem Bett schlafe, entspreche allerdings nicht der Wahrheit, sagt Shamis. Aber nachts wache ihr Mann ständig auf, den Kopf voller Pläne für den nächsten Tag. „Ab vier Uhr morgens findet er dann keinen Schlaf mehr.“ In London ging Nur regelmäßig joggen. Jetzt reicht es höchstens noch für ein paar beengte Morgenrunden um das Haus, im Schatten Stacheldraht bewehrter Mauern. „Dein Bauch wird dick“, sagt Shamis nach dem Frühstück und schenkt ihm ein liebevolles Lächeln; wenn er morgens fortgeht, weiß sie nie, ob er abends noch mal zurückkommt. „Du hast graue Haare bekommen von all den Problemen.“

Vermisst er London manchmal? „Die Spiele von Arsenal und Parliament Question Time auf BBC1“, sagt Nur und steigt in den schwarzen Geländewagen; draußen springen die Bodyguards mit ihren Waffen auf die Pick-ups. „Und den Park am Parliament Hill. Das Grün, die Hügel, die Drachen am Himmel – wunderbar.“

Alles was Nur seit seinem Amtsantritt in Mogadischu erreicht hat, steht an diesem Tag auf dem Spiel. „Vor genau einem Jahr habe ich ein Open Air-Musikfestival organisiert“, erklärt er im Zwielicht hinter den geschwärzten Scheiben seines Wagens. „Ein Ereignis, wie es die Menschen von Mogadischu seit Jahrzehnten nicht mehr erleben durften.“ Ein Zeichen habe er setzen wollen. Für einen Neuanfang. Für ein Leben in Würde, ohne Angst. Doch dann stürmten Bewaffnete auf den Platz und schossen in die Menge. Auf Befehl des Warlords Mohamed Dheere, des ehemaligen Bürgermeisters. Er wollte seinen Nachfolger einschüchtern und um seine Popularität bringen. Vier Menschen starben. Darunter der Dirigent der Blaskappelle. „Das war der schwärzeste Tag meines Lebens“, sagt Nur und kämpft um seine Fassung.

Genau ein Jahr nach der Katastrophe soll nun erneut ein Musikfestival stattfinden. „Wenn wir uns einschüchtern lassen, werden wir nie etwas verändern.“ Tausende sind gekommen. Auf dem nach allen Seiten offenen Platz warten sie in ihren Festtagskleidern seit den frühen Morgenstunden auf die Botschaft des Bürgermeisters, auf seine Visionen. Zwei Jahrzehnte lang haben sich die Bewohner der 16 Stadtdistrikte blutig bekämpft. Jetzt halten sie sich an den Händen, singen gemeinsam und tanzen. Auf ihren Plakaten steht Al-Schabab: Mörder oder Al-Schabab wird enden wie Osama Bin Laden; dazwischen lassen Poster den Bürgermeister hochleben.

Poeten in weißen Gewändern und hennagefärbten Bärten rezitieren Gedichte und drehen sich wie Derwische im Kreis. Die Musiker der Blaskappelle in ihren hellgrünen Uniformen und weißen Hosen schmettern einen Marsch. Und dann kommt der Bürgermeister. Nicht in einem Panzerfahrzeug von Amisom. Nicht in seinem schwarzen Geländewagen. Nein, zu Fuß. Und ohne schusssichere Weste. Winkend und strahlend läuft er auf dem Platz ein, und seine Bürger jubeln ihm zu wie einem Fußballstar.

„Zukunft!“, ruft er ins Mikrofon. „Frieden! Licht!“ Auf den Dächern klicken – kaum hörbar im tosenden Applaus und bewegt nur von den Atemzügen wachsamer Soldaten – die Munitionsgurte an den Läufen der Kalaschnikows. Jeden Moment kann in der Menge jemand eine Waffe ziehen. Oder einen Sprengstoffgürtel zünden. Doch das scheint die Leute jetzt nicht zu interessieren; sie hängen an den Lippen des Bürgermeisters. Es ist, als bräuchte er nur lange genug die Normalität zu beschwören, damit diese eintritt und alles wieder gut wird in Mogadischu.

„Wir lieben unseren Bürgermeister!", kreischt eine Frau in der Menge, außer sich vor Freude; die anderen stimmen lautstark zu und schwenken somalische Fähnchen. „Er muss weitermachen! Er hat mehr verdient! Präsident soll er werden! Präsident!"

Mohamoud Ahmed Nur hat andere Pläne. Beim Abendessen nach dem Festival verrät er sie seiner Frau: „Die Olympischen Spiele in Mogadischu." Er nimmt lächelnd ihre Hand. „2028 oder 2035 – auf jeden Fall solange ich noch lebe."

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Michael Obert


Michael Obert, 1966 in Breisach am Rhein geboren, studierte Betriebswirtschaft und arbeitete längere Zeit im mittleren Management, bis er zu einer zweijährigen Reise durch Lateinamerika aufbrach. Anschließend begann er ein neues Leben als Journalist, Fotograf und Buchautor. Seine Reportagen und Fotografien erscheinen unter anderem in Die Zeit, Geo Saison, Stern, Greenpeace Magazin und Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung sowie in Das Magazin (Zürich), Sonntagszeitung (Zürich), Der Standard (Wien), Courrier International (Paris) und The Journal (New York). Zwischen seinen Reisen lebt Michael Obert in Berlin.
Website des Autors
Dokumente
Der Bürgermeister der Hölle (PDF)

erschienen in:
SZ-Magazin,
am 20.04.2012
Bester Freier Reporter

Laudatio: Jan Christoph Wiechmann

Es gibt einige Orte auf dieser Welt, an die sich nur wenige NGOs, Ärzte oder Journalisten trauen. Einer dieser Orte ist Mogadischu, in Somalia – zerrieben, zerlöchert, entstellt nach über zwanzig Jahren Krieg. Ein Ort, bei dem man beim Gemüsehändler für 100 Dollar eine Panzerfaust kaufen kann, wie wir erfuhren nach dem Lesen dieser Reportage.

An eben diesen Ort ging ein freier Journalist und berichtete im SZ-Magazin über den «Bürgermeister der Hölle», so der Titel. Der Bürgermeister ist Mohamoud Ahmed. Nur, eigentlich ein Internet-Café-Betreiber in London, der sein Heimatland Somalia vor langer Zeit verließ und nun versucht, der Stadt Hoffnung einzuhauchen. Auf seinen Kopf haben Islamisten 100.000 Dollar ausgesetzt, und der Reporter begleitet nun Mr. Nur durch die ganze Stadt, zu den Straßenkindern, in die Schulen, zu einem Musikfestival, das der Bürgermeister ins Leben rief. Und er bezeugt von SMS-Texten wie diesem: «Wir sehen dich. Du stehst vor deinem Haus, trägst ein Khaki-Hemd und eine Sonnenbrille und sprichst mit einem weißen Journalisten. In zwei Minuten bist du tot.»

Die Jury war nicht nur begeistert von dem Mut des Reporters; sondern sie war auch begeistert von dem dichten Portrait eines Mannes, der zwischen Mut und Übermut versucht, der Anarchie Herr zu werden. Der Reporter führt uns in eine Stadt, in die wir alle nicht kommen, er führt uns an die Plätze der Zerstörung, aber auch an die Plätze der Hoffnung. Er stellt uns einen Menschen vor mit Empathie, nicht undistanziert; einen Menschen, den wir alle nicht kennen, aber kennenlernen sollten. Ich habe nach dem Lesen noch Tage lang an diesen Mohamoud Ahmed Nur denken müssen und gehofft, dass er am Leben ist. Soweit ich das recherchieren konnte – aber vielleicht weiß das ja der Gewinner – ist er das.

Vielen Dank für eine herausragende journalistische Leistung, bester freier Reporter: Michael Obert.

 

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